Damit eine Wahl reibungslos abläuft, braucht es Wahlhelfer. Derzeit werden diese Beisitzer von den Parteien nominiert, eine Ausbildung ist nicht verpflichtend. Experten fordern grundlegende Änderungen.

Foto: APA/HERBERT NEUBAUER

Wien – Mit ihnen steht – und fällt – ein österreichischer Urnengang: die Beisitzer in den Wahllokalen. Ihre wichtigste Aufgabe ist die Auszählung der Stimmzettel, dadurch kommt ihnen eine "eminente Bedeutung für das Wahlsystem" zu, sagt der Verfassungsgerichtshof. Umso verwunderlicher ist für den Juristen und Verfassungsexperten Heinz Mayer, dass man zur Erfüllung dieser entscheidende Aufgabe "auf absolute Laien" zurückgreift, sagt er im Gespräch mit dem STANDARD. Hinzu komme, dass durch das derzeitige System laufend Gründe für Wahlanfechtungen geschaffen würden.

Fehler "unvermeidlich"

Wahlbeisitzer werden in Österreich nämlich von den Parteien nominiert. In der Praxis laufe das meist so ab, dass sich Funktionäre in ihrem Umfeld umhören, wer sich bereiterklären würde, sagt Mayer. Den Behörden werden dann die Namen und Adressen übermittelt. Da die Wahlbeisitzer gemeinsam mit dem Wahlleiter oder dessen Stellvertreter die Wahlbehörde bilden, müssen sie sodann "ordentlich geladen" werden – bei einer bundesweiten Wahl sind das in Österreich zwischen 50.000 und 70.000 Leute. "Es ist unvermeidlich, dass bei so vielen Ladungen etwas schief geht", sagt Mayer.

Eine Ladung komme etwa nicht rechtmäßig zustande, wenn sich der Betroffene gerade im Krankenhaus oder an seinem Zweitwohnsitz befinde. Es sei auch denkbar, dass die vorschlagende Partei den Namen falsch geschrieben weitergibt, erläutert Mayer. Die Folge ist juristisch brisant: "Wenn nicht alle Mitglieder einer Kollegialbehörde ordnungsgemäß geladen wurden, kommt sie nicht richtig zusammen und jede ihrer Entscheidungen ist rechtswidrig", sagt der Verfassungsjurist. "Das ist noch von niemandem aufgegriffen worden, aber somit ist im Grunde jede Wahl anfechtbar."

Beamte anstelle von Beisitzern

Sein Kollege Karl Weber, Leiter des Instituts für öffentliches Recht in Innsbruck, teilt die Rechtsansicht seines Kollegen: "Das Gesetz stammt aus einer Zeit, als der Wahlbeisitz als Ehrenamt wahrgenommen wurde und man das noch nicht so ernst genommen hat. Die Bundespräsidentschaftswahl 2016 hat gezeigt, dass das heute nicht mehr praktikabel ist."

Beide Verfassungsexperten plädieren für eine Änderung des Systems: Anstelle von Parteienvertretern sollten Beamte die Aufgabe der Wahlbeisitzer übernehmen und die Wahlbehörde bilden. Über die genaue Ausgestaltung müsse man diskutieren, sagt Mayer, aber ein Wahlleiter und zwei Stellvertreter seien für die Auszählung seiner Ansicht nach ausreichend. "Zusätzlich könnten interessierte Bürger und auch Vertreter der Parteien die Möglichkeit haben, als Wahlzeugen den Vorgang zu beobachten und zu kontrollieren", schlägt der Verfassungsexperte vor. Verantwortlich seien aber immer die Beamten.

"Fehleranfälligkeit geringer"

Auch Weber ist überzeugt, dass der frühere Ansatz, dass sich der Staat bei freien Wahlen zurücknehmen müsse, heute überholt ist. Kämen Beamte zum Einsatz, sei die "Fehleranfälligkeit einfach wesentlich geringer". Hinzu kommt, dass es derzeit in manchen Regionen massive Probleme gibt, überhaupt genügend Wahlbeisitzer zu finden. Vor allem kleinere Parteien können oft nicht alle Posten besetzen.

Wie der STANDARD berichtete, empfiehlt die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit (OSZE) ebenfalls, dass Wahlhelfer nicht nur durch Parteien gestellt werden. Österreich hat ein entsprechendes Dokument bereits 1990 unterzeichnet, das Vorhaben jedoch nie umgesetzt. (Katharina Mittelstaedt, 18.8.2017)