Die Schere als Symbol der Ungleichheit – auch beim Einkommensunterschied zwischen Männern und Frauen. Für erste Verbesserungen sorgt das vor sechs Jahren novellierte Gleichbehandlungsgesetz.

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"Frauen verdienen weniger und sind leichter auszubeuten. Tut etwas dagegen!" Dieser Appell, die anhaltende Benachteiligung von Frauen in der Arbeitswelt zu bekämpfen, wurde Ende Juni dieses Jahres von Papst Franziskus an die Vertreter des italienischen Gewerkschaftsbunds gerichtet. Man könnte meinen: Wenn selbst der Papst, der qua Funktion nicht unbedingt als feministische Instanz gilt, die noch immer evidenten Unterschiede in der Verteilung beruflicher Chancen zwischen Frauen und Männern so offen kritisiert, ist das Thema "Gleiches Geld für gleiche Arbeit" salonfähig geworden. Allerdings: Es ist die Politik der kleinen Schritte und vor allem eine geteilte Verantwortung von Politik und Wirtschaft, die rasche Veränderungen bei diesem Thema schwierig machen.

Laut jüngster Eurostat-Erhebung hat sich der Gender-Pay-Gap in Österreich zwar leicht verringert, liegt aber immer noch bei 21,7 Prozent. Im Europavergleich belegen wir den viertletzten Platz.

Ein emotionaler Diskurs

Dank solcher Statistiken ist der Gender-Pay-Gap mittlerweile nicht mehr wegzudiskutieren. Gleichzeitig ist aber der wirklich relevante Diskurs – nämlich jener, welche Mechanismen zu diesem eklatanten Unterschied führen und wie diesen Mechanismen entgegengesteuert werden kann – noch immer höchst emotional. Einerseits liegt dies wohl daran, dass die Ausprägung des Gender-Pay-Gaps je nach Einkommensklasse oder Branche massiv divergiert. So weisen (Einstiegs-)Funktionen, die nahe am Kollektivvertrag entlohnt werden, geringe geschlechterspezifische Gehaltsunterschiede auf.

Mit höherer Ausbildung und längerer Berufserfahrung geht die Schere aber schnell und weit auf. Auch lassen sich in Unternehmen, die nach einem etablierten Gehaltsschema entlohnen, kaum geschlechterspezifische Unterschiede erkennen. Demgegenüber ist der Gap in jenen Unternehmen unverhältnismäßig größer, in denen das individuelle Verhandlungsgeschick zählt. Andererseits liegt es aber sicherlich auch daran, dass mit dem Thema unmittelbar eine Bewertung verbunden ist. Die Leistung von Menschen wird in der Arbeitswelt dadurch anerkannt, welchen Lohn sie für ihre Arbeit bekommen.

Viele Gaps gleichzeitig

Beim Schließen der Gehaltsschere muss vorrangig gegen die diskriminierenden Einkommensunterschiede zwischen Frauen und Männern gearbeitet werden, die auf traditionellen Zuschreibungen und Rollenbildern beider Geschlechter basieren. In Bezug auf den Gender-Pay-Gap lassen sich unterschiedliche Effekte und Zusammenhänge beobachten. So ist der Gender-Pay-Gap immer auch ein Gender-Career-Gap. Mit ansteigender Hierarchiestufe nimmt der Frauenanteil eklatant ab. Man spricht auch von der vertikalen Arbeitsmarktsegregation. Diese wird unter anderem dadurch gefördert, dass das Wahrnehmen von Führungsfunktionen auf Teilzeit in vielen Unternehmen noch immer unvorstellbar ist und dass Teilzeitbeschäftigung nach wie vor ein Frauenphänomen ist.

Der Gender-Career-Gap geht außerdem mit einem Motherhood-Pay-Gap einher. Frauen mit Kindern verdienen in der Regel weniger als Frauen ohne Nachwuchs. In weiterer Folge ist auch ein Gender-Pension-Gap zu beobachten. Bedingt durch Berufsunterbrechungen und Teilzeitbeschäftigungen liegt das Pensionsbezugsgefälle zwischen Frauen und Männern bei bis zu 60 Prozent. Dadurch sind Frauen im Alter wesentlich mehr armutsgefährdet.

Gleichbehandlungsgesetz wirkt

Nicht nur die ungleichen Chancen von Frauen und Männern in der Erwerbsarbeit sind hierfür verantwortlich. Auch die Verteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit auf beide Geschlechter spielt eine maßgebliche Rolle. Interessanterweise werden familiäre Betreuungspflichten noch immer überwiegend den Frauen zugeschrieben. Gleichzeitig zeigen immer mehr Männer Interesse an der Kinderbetreuung und nehmen Elternkarenz sowie -teilzeit häufiger in Anspruch. Die geteilte Verantwortung in familiären Angelegenheiten hat auch Auswirkungen auf betriebliche Lebensrealitäten. Es braucht ein modernes Karenzmanagement sowie flexible Arbeitsbedingungen, die ein höheres Beschäftigungsausmaß und Führung auch in Teilzeit erlauben. Sie sind ein wesentlicher Hebel für die Gleichbehandlung.

Vor sechs Jahren wurde in Österreich das Gleichbehandlungsgesetz novelliert. Ziel war die Erhöhung der Einkommenstransparenz in Unternehmen sowie am Arbeitsmarkt. Die Verpflichtung der Unternehmen, Gehälter in Stelleninseraten anzugeben sowie im Zweijahreszyklus Einkommensberichte zu erstellen, sollte dies bewerkstelligen. In den ersten Monaten nach dessen Inkrafttreten wurde die Forderung nach Transparenz noch äußerst emotional diskutiert, eine umfassende Umsetzung der beiden Instrumente war nahezu unvorstellbar. Vier Jahre später zeigte eine Evaluierung aber nicht nur die nahezu flächendeckende Umsetzung der gesetzlichen Verpflichtungen, sondern auch die ersten Indikatoren für die Wirksamkeit der Novelle. Der Befund zeigt: Die Gehaltsangaben in Stelleninseraten könnten zwar wesentlich präziser ausfallen, sie erhöhen aber bereits jetzt die Transparenz in Bezug auf branchenspezifische Gehaltsunterschiede. Auch die Einkommensberichte könnten noch an Aussagekraft gewinnen, haben aber unbestritten die innerbetriebliche Auseinandersetzung mit Vergütungssystemen und -prozessen begünstigt.

Transparentes Gehaltssystem

Der Beschluss der gesetzlichen Regelung führte dazu, dass der erste Schritt zur Schließung der Einkommensschere gesetzt ist. Geschlechtsspezifische Gehaltsunterschiede werden erstmals sichtbar. Eine genauere Betrachtung ermöglicht darüber hinaus eine Differenzierung zwischen erklärbaren und nichterklärbaren Gehaltsunterschieden. Unternehmen stehen nun vor der Aufgabe, aktiv mit dem Einkommensbericht zu arbeiten. Insbesondere jene Mechanismen sollen identifiziert und bearbeitet werden, die zu nichterklärbaren Einkommensunterschieden führen. Denn ein transparentes Gehaltssystem, das eine geschlechterunabhängige Vergütung sowohl bei Berufseinstieg als auch bei Um- und Aufstieg sicherstellt, muss Bestandteil einer modernen Arbeitswelt sein. (lhag, 21.8.2017)