Umkreist Verfehlungen, Verspätungen, Ungleichzeitigkeiten und Asymmetrien im Zusammenleben von Menschen: Elke Laznia.

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Elke Laznia, "salzgehalt. dichtungen". Mit Zeichnungen von Ludwig Hartinger. € 19,00 / 85 Seiten. Verlag Müry Salzmann, Salzburg/Wien 2017

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Ein schmaler Band, kaum hundert Seiten stark. Doch die Wucht der Sätze, die er birgt, rechtfertigt den hohen Anspruch der Gattungsbezeichnung "Dichtungen". Da wird nichts versprochen, was Elke Laznia nicht einlösen würde. Was schon für das Romandebüt kindheitswald galt, erscheint hier noch einmal gesteigert: salzgehalt erzählt keine Geschichte, sondern entfaltet sich als Ereignis der Sprache.

Der erste Teil umfasst 34 Gedichte, der zweite neun Prosaminiaturen, und da wie dort geht es um eine Befindlichkeit, die bis in feinste Verästelungen hinein zur Darstellung kommt. Den Kern dieser Befindlichkeit trifft ein Satz, der als solcher kaum erkennbar ist, weil er in einem Gefüge ohne Punkt und Beistrich nistet: "wir sind hundertfach vereinzelt".

Schwebende Bedeutungen

Wer dieses "wir" ist, lässt Laznia bewußt offen. Die Interpunktionslosigkeit, die in den Gedichten ein durchgehendes Gestaltungsmerkmal darstellt, schafft schwebende Bedeutungen. Feste Größen sind da jeweils nur die persönlichen Fürwörter "ich", "du", "wir" , denen aber keine fest umrissenen Figuren entsprechen. Sie bilden lediglich einen grammatischen Bezugsrahmen, der auf die Realität unterschiedlicher Beziehungsmuster verweist.

Was diese Beziehungen allesamt eint, ist ihr Scheitern. Wo immer ein "Ich" ein "Du" sucht, entsteht kein "Wir". In immer neuen Anläufen umkreist Laznia Verfehlungen, Verspätungen, Ungleichzeitigkeiten und Asymmetrien im Zusammenleben von Menschen, und nach und nach schwillt dieses Kreisen zu einem sprachmächtigen Oratorium der Vergeblichkeit an.

In der Dichte und Konzentriertheit solchen Sprechens artikuliert sich eine Souveränität, die das genaue Gegenteil des Mangels bezeichnet, von dem die Rede ist. "Werde hingehen und dem Schmerz das Wort aus der Wunde klauben", bekennt die Ich-Erzählerin im Roman kindheitswald und bringt damit die Poetik von Elke Laznia auf den Punkt. Der hundertfachen Vereinzelung ist nur beizukommen, indem sie genau und schonungslos zur Sprache gebracht wird. So gesehen betreibt Laznia eine Art Archäologie gestörter Beziehungen, die Schicht um Schicht freilegt, bis die Urszene der Störung zutage tritt. Da zeichnen sich die Umrisse einer Familientragödie ab, eines geradezu biblischen Unheils, das aus der Vergangenheit in die Gegenwart reicht und letztlich auch die Zukunft bedroht: "wir haben den vorgezeichneten Grundriss wie es geht zu leben und daran zu scheitern".

Das Scheitern benennen

Laznias Texte werden nicht müde, dieses Scheitern zu benennen, und sie tun es in einer Sprache, die das Dringliche zu beklemmender Eindringlichkeit destilliert. "wir bauten ein Schiff aus Hintertüren", heißt es da etwa, "die / Segel aus Schweigen Seile geflochten aus / aufgetrennten fadenscheinigen Jackenärmeln". Oder: "schau wir reiben uns auf wir bluten / lass mich los das letzte Kolorit / des Sommers des Herbstes und wir / gehen stumm über alles hinweg".

Wo sich der andere entzieht, bleibt zusehends auch das eigene Selbst ungreifbar, wird zum allerletzten Bruchstück im Verfallsprozess der Vereinzelung: "bin nicht fisch nicht fleisch", klagt das erodierende Ich: "bin ein Grottenolm hab drei Finger / an jeder Hand hab keine Augen / leb unter Tag im kalten klaren Wasser / brauche keine Nahrung und kein Wort".

Es gehört dann freilich zum paradoxen Glück, das große Literatur seit jeher bereitet, dass das Ende, das da beschworen wird, immer wieder dementiert wird von der Beschwörungskraft der Sprache. Laznia für ihren Teil sagt es leise, fast verschämt, sagt es bei aller Skepsis, von der ihre Texte durchdrungen sind, dass sie dieser Beschwörungskraft vertraut: "da und dort ein Klang ein Stimmband / zögernd gespannt von dir zu mir / wer rührt es an dass es schwingt". (Gerhard Melzer, Album, 23.8.2017)