Frauen sind am Arbeitsmarkt strukturell schlechtergestellt.

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Frauenpolitik ist im Vorwahlkampf wieder Thema. Vor allem seitens der SPÖ werden altbekannte Forderungen nach Mindestlöhnen und Quoten lauter. Aber ist, was die SPÖ vertritt, tatsächlich progressive Frauenpolitik oder nur ein neues Label für althergebrachte sozialistische Forderungen? Faktisch werden weder ein Mindestlohn von 1.500 Euro noch die Erhöhung von Mehrarbeitszuschlägen dazu beitragen, dass Frauen gleichberechtigt am Arbeitsmarkt teilnehmen können. Schlimmstenfalls sind sie für betroffene Frauen gar kontraproduktiv. Der Ansatz, solche bevormundende Arbeits- und Sozialpolitik "Frauenpolitik" zu nennen, ist der falsche; er reduziert Frauen auf die Rolle der Bittstellerinnen.

Vor allem aber ersparen sich die Sozialdemokraten durch Rückgriffe auf alte Klassenkampfparolen die Beschäftigung mit den Ursachen und mit dem Versagen ihrer eigenen Politik in den letzten Jahrzehnten: Die immer noch bestehenden Gehaltsunterschiede zwischen Männern und Frauen sind inakzeptabel – doch wer den Gender-Pay-Gap über eine Erhöhung des Mindestlohns zu schließen versucht, hat dessen Ursachen völlig verkannt. Die Sozialdemokraten suggerieren damit, dass Frauen einfach aufgrund ihres biologischen Geschlechts weniger verdienen und man dieses Problem per Verordnung aus der Welt schaffen könne. "Hol dir, was dir zusteht" – und dann ist gut.

Problem langer Erwerbsunterbrechungen

Die Realität ist eine andere – und komplexere: Frauen sind am Arbeitsmarkt deshalb strukturell schlechtergestellt, weil sie lange Erwerbsunterbrechungen haben, weil sie in Teilzeitjobs festsitzen, weil Betreuungsverantwortung ungleich verteilt ist, weil die Bewertung ihrer Arbeit jahrzehntealten Mustern folgt, weil sie früher aus dem Arbeitsmarkt gedrängt werden, weil sie von klassischen Rollenzuschreibungen und konservativen Rollenbildern eingeschränkt werden. Strukturkonservative Forderungen, wie sie von der SPÖ kommen, werden an diesen grundlegenden Problemen nichts ändern.

Was es daher braucht ist keine kurzfristige Kompensation, sondern echte Selbstermächtigung: nicht nur gleiches Gehalt für gleiche Arbeit, sondern auch gleiche Chancen. Nur das schafft eine nachhaltige ökonomische Besserstellung und Eigenständigkeit. Nur das ermöglicht es uns Frauen, unser Leben nach unseren eigenen Vorstellungen zu gestalten, unsere Potenziale einzubringen und zu verwirklichen. In Unabhängigkeit – vom Partner genauso wie vom Staat.

Mehr Rechte für Männer

Konkret heißt das: flächendeckender Zugang für Männer und Frauen zu flexibler und leistbarer Kinderbetreuung. Nur so ermächtigen wir Frauen, ihre Karrieren selbst in die Hand nehmen zu können und pensionsgefährdend lange Erwerbsunterbrechungen und Teilzeitphasen zu vermeiden. Was sich der linke Feminismus dabei nicht zu sagen traut: Kindererziehung durch die Mütter ist nicht gottgewollt. Doch das bedeutet konsequenterweise auch, Männern in diesem Bereich mehr Rechte zuzustehen.

Ebenso sind die Sozialpartner gefordert, ihre eigenen Denkmuster hinsichtlich "typisch weiblicher" oder "typisch männlicher" Branchen zu überdenken. Und last, but not least müssen wir einer branchenspezifischen Segregation am Arbeitsmarkt dort entgegenwirken, wo die Wurzeln gesetzt werden: in der Schule. Bildung ist der Ort, junge Frauen und Männer zu ermutigen, ihre individuellen Talente und Potenziale zu verwirklichen, anstatt der klassischen Rollenverteilung zu folgen. (Claudia Gamon, 22.8.2017)