"Tagespresse" live: ORF-Sprecher Paul Kraker liest im Wiener Rabenhoftheater Fake-News der "Tagespresse" vor.

Foto: Rabenhof/Rita Newman

Wien – Fritz Jergitsch und Sebastian Huber sitzen in ihrem Büro in der Wiener Burggasse und sehen sich Youtube-Videos an. Für die beiden Redakteure der Satireseite Die Tagespresse gehört das zur Recherche. Sie wirken entspannt, dabei arbeiten sie an etwas Größerem. Österreichs seriöseste Zeitung, wie sie sich nennen, kommt als Show ins Fernsehen. Als "eine Zeit im Bild, bei der nichts stimmt", bezeichnet Jergitsch die Sendung Tagespresse aktuell, die ab 19. September dienstags nach Willkommen Österreich auf ORF 1 unterhalten soll.

Als Spaßprojekt hat Jergitsch Die Tagespresse 2013 entworfen. Er war inspiriert von der deutschen Satireseite Der Postillon und fing selbst an, witzige Nachrichten zu schreiben. Schlagzeilen wie "Snowden in Wien gelandet: Vertraut in Trägheit der Justiz" haben die Seite bekanntgemacht. Heute ist Die Tagespresse für Jergitsch ein Vollzeitjob mit Redakteuren. Täglich versorgen sie ihre nach Satire hungernde Gemeinde mit Fake-News à la ",Vertraue nur Quereinsteigern': Kurz lässt sich Blinddarm von Dr. Oetker entfernen" und "Keine Inhalte, leere Slogans: Steckt die SPÖ auch hinter oevp.at?".

Wann Quatsch aufklärt

Dass der 26-jährige Wiener seine Witze auch erzählen und in Bilder umsetzen kann, hat er mit der Tagespresse Show im Wiener Rabenhoftheater bewiesen. ORF-Sprecher Paul Kraker las dort Fake-News vor. Nun will Jergitsch ins Fernsehen, wo Satire boomt.

Moderatoren, die sich spätabends im Fernsehen über aktuelle Ereignisse lustig machen, beschäftigen auch die Wissenschaft. Forscher fragen nach, welchen gesellschaftlichen Wert satirische Nachrichten haben. Im Resümee einer Studie der Otto-Brenner-Stiftung von 2016 schreibt der Medienwissenschafter Bernd Gäbler: "Quatsch ist dann aufklärerisch, wenn er zeigt, wie verrückt die politische Wirklichkeit ist."

Vorbild USA

Schaut man in die USA, wo Donald Trump täglich Vorlagen für diverse Late-Night-Shows liefert, werten Satiriker ihre Shows durch eigene Recherchen auf. Wegen seiner investigativen Berichterstattung wird etwa John Oliver, dem Mann aus Last Week Tonight, nachgesagt, eine Art neuen Journalismus zu kreieren.

Wie groß das aufklärerische Potenzial von satirischen TV-Shows sein kann, zeigte 2014 eine Analyse des Colbert Report der University of Pennsylvania. Der Satiriker Stephen Colbert berichtete kritisch über amerikanische Wahlkampffinanzierung. Er sammelte Wahlkampfspenden und bewarb sich als Gouverneur von South Carolina. Der Studie zufolge wussten die Zuseher der Satireshow am Ende besser über die Wahlkampffinanzierung Bescheid als Konsumenten von klassischen Medien.

Auch Jergitsch sieht sich nicht als Journalist, ist sich aber seiner meinungsbildenden Rolle bewusst: "Ich glaube, was Satire macht, ist Einordnung. Wir können eine Sache in ein Narrativ einbetten und sie so verständlicher machen", sagt Jergitsch.

Verständnis durch Satire

In Österreich leistete zuletzt die Satirikertruppe Die Staatskünstler Aufklärungsarbeit, indem sie unter anderem versuchte, eine Spende in die umstrittene Erwin-Pröll-Privatstiftung einzuzahlen – und scheiterte. Dass Satiriker Dinge besser erklären könnten als Journalisten, liege an Erzählstrukturen, schreibt die University of Pennsylvania in ihrer Studie. Satiriker drehen die Pyramidenstruktur von klassischen Nachrichten um, in der das Wichtigste am Beginn steht. Am Ende steht bestenfalls die Erkenntnis.

Viele Ideen zu ihren Geschichten entstehen beim Lesen von Nachrichten, sagt Jergitsch. Als Kontrollorgan fühlt er sich aber nicht, auch wenn er Medien "gern verspottet, wenn sie irgendeinen Scheiß bauen". Zudem sei es nötig, dass seine Leser über die wichtigsten Ereignisse bereits Bescheid wissen. Jergitsch nennt das einen Referenzrahmen: "Wenn ich das Wort ,Verwaltungsreform' sage, dann denken die Leute schon an Dinge wie Reformstillstand. Darauf sind wir angewiesen, damit ein Witz zu diesem Thema funktioniert."

Die Theorie, dass Satiremedien wegen des benötigten Vorwissens ein Angebot für Eliten sind, lehnt Jergitsch ab. "Im deutschen Privatfernsehen wird immer das Gegenteil bewiesen", sagt er. (Elisa Heißenberger, 19.8.2017)