Innsbruck – Abhängig davon, ob man das gleiche Material bei gleichem Energieaufwand links- oder rechtsherum "rührt", heizt es sich unterschiedlich rasch auf. Diesen seltsamen Effekt, der zum Aufspüren besonderer Materiezustände – sogenannter topologischer Phasen – genutzt werden kann, stellt ein Team um Physiker aus Innsbruck und Brüssel im Fachblatt "Science Advances" vor.

Nobelpreise

Mithilfe der mathematischen Methoden der Topologie ist es Wissenschaftern gelungen, bisher schwer fassbare Effekte in sehr speziellen Materialien zu beschreiben. Darunter etwa jenes Phänomen, dass in Halbleitern bei sehr tiefen Temperaturen und in starken Magnetfeldern die elektrische Leitfähigkeit nicht gleichmäßig, sondern sprunghaft wächst. Dieses Verhalten lässt sich nicht mit Hilfe der klassischen Physik beschreiben, sondern folgt den Regeln der Quantenphysik – Wissenschafter sprechen von einem Quantisierungsgesetz. Für die Entdeckung des "Quanten-Hall-Effekts" erhielt der deutsche Physiker Klaus von Kitzling 1985 den Physik-Nobelpreis.

Zur Überraschung vieler Forscher lässt sich dieser sogenannten Leitwertquantisierung aber eben mit dem Konzept der Topologie beikommen. Die Topologie befasst sich mit geometrischen Objekten anhand ihrer grundlegendsten Eigenschaft, also der Anzahl von Löchern oder Windungen. Ihr Aussehen, ihre Verteilung und ihr Zusammenspiel in verschiedenen Materialien bestimmt deren Eigenschaften.

Diese Beziehung mit der physikalischen Quantisierung von Leitfähigkeit eröffnete neue Möglichkeiten zur Untersuchung von topologischen Phasen, denen seither aufgrund ihrer ungewöhnlichen Eigenschaften viel Aufmerksamkeit geschenkt wird. Auch die Entdeckung dieser Zusammenhänge durch David Thouless, Duncan Haldane und Michael Kosterlitz resultierte im vergangenen Jahr in einem Physik-Nobelpreis.

Die neue Entdeckung

"Immer wenn in der Physik Dinge quantisiert sind, die wir messen können, sind wir alle sehr aufgeregt", sagte Peter Zoller vom Institut für Theoretische Physik der Uni Innsbruck und dem Institut für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI) der Akademie der Wissenschaften (ÖAW). Das internationale Team um ihn und Nathan Goldman von der Universität Brüssel hat nun "ein ähnliches neues Quantisierungsgesetz, aber auf einer anderen Ebene" entdeckt und beschrieben:

Heizt man üblicherweise ein Material auf, indem man mit einem Laser hineinstrahlt, dann wird es umso wärmer, je mehr Energie man hineinsteckt. Nimmt man aber ein Material, das eine topologische Phase bildet, und erwärmt dieses mit einem Laser, der analog zu einem Kochlöffel durch das Material geführt wird, tritt die Quantisierung in einer laut Zoller "recht lustigen Art und Weise" auf. Die Rate, in der das Material aufgeheizt wird, unterschiedet sich nämlich in Abhängigkeit davon, ob der Laser rechts- oder linksherum gedreht wird. Die Differenz dieser beiden Aufheizraten folgt dem neu entdeckten Quantisierungsgesetz.

Nutzbarer Effekt

"Das ist eine ganz neue Art und Weise eine Quantisierung zu beobachten", so der Forscher, der mit dem Team den Grundstein zu der Arbeit im Rahmen eines Brüssel-Aufenthalts 2015 als Solvay-Professor gelegt hat. Interessant ist das sowohl als Phänomen an sich, wie auch als neue Messmethode für den Zustand der topologischen Eigenschaften selbst. Da nämlich dieser Effekt bei solchen Materialien auftritt, könnte so sicher nachgewiesen werden, ob dieser bisher schwer nachzuweisende exotische Zustand überhaupt vorliegt oder nicht.

Die Wissenschafter machen in ihrem Beitrag auch konkrete Vorschläge, wie dieses Phänomen mit speziellen Anordnungen mit ultrakalten Atomen experimentell beobachtet werden könnte. Experimentalphysiker seien jetzt jedenfalls sehr interessiert daran, so etwas zu realisieren, sagte Zoller. (APA, red, 19. 8. 2017)