St. Johann am Walde / Wien – Rund um die Pfarrkirche entstand im 13. Jahrhundert die heute oberösterreichische 2000-Einwohner-Ortschaft St. Johann am Walde. Und dort versammelten sich am Sonntagvormittag auch die Einwohner, um den Opfern des Unglücks zu gedenken. Ein orkanartiger Sturm hatte in der Nacht auf Samstag ein Festzelt zum Einstürzen gebracht, eine 19-jährige, aus Rumänien gebürtige Krankenschwester in Ausbildung und ein 28-jähriger Österreicher kamen ums Leben.

Eine Luftaufnahme des eingestürzten Zelts in St. Johann am Walde. Laut Wolfgang Kronsteiner, Landesfeuerwehrkommandant von Oberösterreich, war das Zelt TÜV-geprüft.
Foto: APA / Daniel Scharinger

Etwa 650 Menschen befanden sich zum Zeitpunkt des Unglücks im Zelt. 120 von ihnen wurden verletzt, 20 davon schwer. Sie wurden von den Zeltteilen getroffen, erlitten aber auch Verbrennungen durch heißes Fett aus umgeworfenen Fritteusen. Auch vier Feuerwehrkameraden wurden in der Zeltküche schwer verletzt.

In der 2.000-EInwohner-Gemeinde St. Johann am Walde sind die Menschen zwei Tage nach dem verherrenden Unglück beim Zeltfest der Feuerwehr in Trauer vereint.
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"Es ist ein schwarzer Tag für uns alle", sagte Diakon Anton Baumkirchner im Gottesdienst. "Es war gegen halb elf, da sind die Uhren im Ort stehengeblieben." Während einer Gedenkminute läutete die Sterbeglocke in Saiga Hans, wie die Gemeinde im Innviertel auch genannt wird.

Sturm war "unvorhersehbar"

In einer Pressekonferenz am Sonntag besprachen Vertreter von Rettung und Feuerwehr noch einmal das Unglück. Der Sturm sei "unvorhersehbar" gewesen, waren sich die Anwesenden einig. Die Wetterlage wurde ständig über das Internet beobachtet, sagte der örtliche Feuerwehrkommandant Erich Feichtenschlager. Das Zelt des zum 39. Mal über die Bühne gegangenen Festes der Feuerwehr Frauschereck sei TÜV-geprüft und für solche Veranstaltungen ausgelegt gewesen, erklärte Landesfeuerwehrkommandant Wolfgang Kronsteiner.

Von der Massivität der Sturmböen waren auch Wetterexperten überrascht. Zwar habe man gewusst, dass eine Front über Oberösterreich ziehen werde. "Die Modelle hatten aber keine 100-km/h-Böen vorgesehen", so Meteorologe Wolfgang Traunmüller von Blue Sky Wetteranalysen aus Attnang-Puchheim. Unwetterwarnungen habe man Freitagabend in einem Zeitfenster von etwa fünf bis zehn Minuten treffen können. "Das ist für so ein Zeltfest natürlich viel zu kurz."

Die Front hatte sich lange Zeit normal verhalten. Durch dynamische Vorgänge habe sich der Sturm unerwartet dann so massiv entwickelt.

Staatsanwaltschaft prüft

Ein von der Staatsanwaltschaft beauftragter Gutachter traf am Samstag ein, um die Unglücksstelle zu begutachten. "Es wird geprüft, ob Fahrlässigkeit im Raum steht", sagte Alois Ebner, Sprecher der Staatsanwaltschaft Ried, dem STANDARD. Ermittelt wird, ob das Zelt ordnungsgemäß aufgebaut war und ob Unwetterwarnungen beachtet wurden. Eine Stellungnahme der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) werde angefordert. Mit Ermittlungsergebnissen rechnet Ebner "in einigen Wochen".

Mit dem Rettungseinsatz zeigten sich Feuerwehr und Rettung zufrieden. Der am Unglückstag noch um 19 Uhr besprochene Evakuierungsplan habe einwandfrei funktioniert, betonte Feichtenschlager.

Mit dem Rettungseinsatz zeigten sich Feuerwehr und Rettung zufrieden.
Foto: APA / Manfred Fesl

Erschwerend kam aber hinzu, dass die eigenen Feuerwehrkameraden zu den Opfern zählten. "Zu der Zeit hast du keine Mannschaft", so Feichtenschlager. Man sei plötzlich in einem "Katastrophenfilm" gelandet, sagte Kronsteiner.

Das Unwetter unterbrach mit umstürzenden Bäumen und Blitzschlägen die Stromversorgung für rund 150.000 Haushalte im nahezu gesamten Bundesland. Sie konnte bis Sonntagnachmittag beinahe vollständig wiederhergestellt werden.

Das Frauscherecker Zeltfest fand zum 39. Mal statt.
Foto: APA / Manfred Fesl

In Saiga Hans, wie die Bewohner ihren Ort nennen, kann das, was sich ereignet hat, nicht so schnell vergessen gemacht werden. "Ich war auf dem Klo, und wie ich aus der Kabine komme, ist das Zelt weg", berichtet die 20-jährige Sabine. Ein 65-jähriger Landwirt erzählt, dass sieben Kinder und Enkelkinder heil aus dem Zelt herausgekommen sind. "Vielleicht bau ich ein Marterl." (red, APA, 20.8.2017)