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Das Motto lautet in vielen Betrieben heute "Hire for attitude, train for skills" – Personaler suchen nach Persönlichkeiten, die passen. Deswegen fließen Tests, die Aussagen über Charaktereigenschaften liefern sollen, mit in die Bewerbersuche ein.

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Für die Suche nach passenden Mitarbeitern können Personalabteilungen mittlerweile aus dem Vollen schöpfen: Kandidaten werden längst nicht nur in einem persönlichen Gespräch interviewt, sie werden in verschiedensten Tests auch auf Herz und Nieren geprüft: vom fachspezifischen Wissen über ihre soziale Kompetenz bis hin zu Fragebögen, deren Beantwortung etwas über die Persönlichkeit der Bewerber aussagen soll.

Anbieter für diese Tests gibt es wie Sand am Meer – und ihre Versprechen an die Unternehmen klingen immer vielversprechend. "Wahrscheinlich gibt es einige, die solchen einfachen Methoden Glauben schenken", sagt Tuulia Ortner, die an der Uni Salzburg Professorin für Psychologische Diagnostik ist.

Wenn sich Unternehmen für Qualitätsstandards in Testungen interessieren, wenden sie sich oft an Ortner. In den meisten Fällen handle es sich um Fragebögen, die den Personalabteilungen angeboten werden. Was Ortner überraschte: "Diese Verfahren sind oft sehr hochpreisig und kosten mehr als wissenschaftlich fundierte Verfahren. Evidenzbasiert sind sie in vielen Fällen aber nicht."

Eigenschaften für den Berufserfolg

Wie viele Unternehmen in Österreich ihre Bewerber einem Persönlichkeitstest unterziehen, ist unklar. Je größer und internationaler der Betrieb, desto größer sind aber die Chancen. Und: Nicht nur im Bewerbungsverfahren interessieren sich Arbeitgeber für die persönlichen Fähigkeiten von Menschen – auch wenn es um Beförderungen und Besetzungen von Führungsposten geht, werden solche Tests gerne verwendet.

Tatsächlich wäre es ja praktisch, wenn ein paar Kreuze auf dem Papier darauf schließen lassen, wie sich Person XY in der heiklen Situation verhält, wenn Personal abgebaut werden muss. Oder wie ein Mitarbeiter reagiert, wenn er bemerkt, dass Kollegen gegen das Unternehmensziel arbeiten. Wie sehr die eigene Persönlichkeit zum Berufserfolg beiträgt, werde aber überschätzt, sagt Ortner. "Gewissenhaftigkeit ist zum Beispiel eine Eigenschaft, die nachweislich eine große Rolle spielen kann. Aber bei anderen Charakterzügen ist eine Aussage diesbezüglich eher schwierig."

Manchmal, so vermutet die Psychologin, handle es sich bei diesen Tests schlichtweg um eine vorgeschobene Begründung für eine bestimmte Entscheidung. Ein zusätzliches Tool, das zeigen soll: Hier wurde objektiv und besonders ausführlich ausgesiebt.

Erlaubt ist fast alles

Das Problem dabei: In Österreich gibt es keine rechtsverbindliche Norm für Qualitätskriterien von Persönlichkeitstests, die Unternehmen, aber auch Weiterbildungsinstitutionen einsetzen können. Was häufig passiert, wird in der Psychologie als Barnum-Effekt beschrieben: Man legt Menschen ein vage formuliertes Persönlichkeitsprofil vor, jeder sucht sich das heraus, was für ihn passt, und ist begeistert von der Treffsicherheit des Tests.

Natürlich seien nicht alle Tools zur Persönlichkeitsanalyse schlecht, es gebe sehr große und professionelle Player am Markt. Was Personalverantwortliche bei Angeboten aufhorchen lassen sollte: Wenn die Fragebögen nur wenig komplex sind, das Ausfüllen nur wenige Minuten dauert und zig Seiten Auswertung schon mitgeliefert werden, sagt Ortner. "Häufig sind die Ergebnisse solcher Tests dann, dass man Typ X von vier verschiedenen Möglichkeiten ist. In der aktuellen wissenschaftlichen Psychologie würde man eine solch simple Einteilung schlichtweg nicht mehr finden."

Personalverantwortliche sollten sich also um valide Verfahren bemühen – sich aber selbst bei aussagekräftigeren Tests bewusst darüber sein, dass es sich bei den Ergebnissen in der Regel immer nur um Selbsteinschätzungen handelt. "Wer sich selbst nicht kennt und die Fragen alle komplett verzerrt beantwortet, kann super dastehen, das hat dann aber nichts mit der Realität zu tun", sagt Ortner.

Qualitätskriterien ab Herbst

Sensibilität brauche es auch bei jenen, die Testverfahren durchlaufen. "Konsumenten sollten hier kritischer werden und gegebenenfalls Infos zur Validität verlangen", sagt Ortner.

Dass es nun mit der Önorm D 4000 auch in Österreich ab Herbst einen Katalog mit Qualitätskriterien und -standards für die berufsbezogene Eignungsdiagnostik gibt, sei jedenfalls ein wichtiger Schritt. Experten gehen davon aus, dass die Persönlichkeit und andere Soft Facts in den nächsten Jahren noch öfter und vor allem auf verschiedenste Weise durchleuchtet werden wird.

Kein Hokuspokus

Softwares sind auf dem Vormarsch – etwa solche, wo von der Sprache auf persönliche Eigenschaften geschlossen wird. Die Länge der Sätze wird in dem Fall ebenso analysiert wie Satzbau und Wortwahl. Auch wie schnell und wie laut jemand spricht, fließt ein. Der Inhalt des Gesprächs ist aber nicht ausschlaggebend. Manche Unternehmen setzen stattdessen auf Computerspiele: Bei Shell mussten Bewerber in die Rolle eines Kellners schlüpfen – 20 Minuten später ist das Persönlichkeitsprofil da. Beliebt seien solche Lösungen, weil sie den Anwendern Objektivität versprechen würden, sagt Ortner.

Ein gutes Auswahlverfahren sei aber trotz aller technischer Möglichkeiten auch in Zukunft "kein Hokuspokus" – noch immer könne man aus einer Mischung zwischen vergangenem Verhalten (Lebenslauf), fachspezifischen Aufgaben oder Arbeitsproben und einem Gespräch die besten Aussagen über eine Besetzung treffen. "Multimethodalität wird auch durch Digitalisierung nicht übertrumpft werden", sagt Ortner. (lhag, 23.8.2017)