Die Zuwanderung hat abgenommen. Die Stimmung in der Bevölkerung in Sachen Integration hat sich aber verschlechtert.

Foto: Matthias Cremer

Im Vorjahr hat sich nicht nur die Zahl der Asylanträge halbiert, auch die Migration aus der EU und aus den klassischen Einwanderungsregionen Exjugoslawien und Türkei ist zurückgegangen. Das geht aus dem Integrationsbericht, der am Mittwoch präsentiert wurde, hervor. Nach dem Rekordjahr 2015 ist die Nettozuwanderung somit wieder unter das Niveau von 2014 gesunken.

Aus der EU kamen im Vorjahr knapp 85.000 Menschen nach Österreich. Im Jahr 2015 waren es noch 91.616 EU-Bürger gewesen, die nach Österreich einwanderten.

Jeder fünfte Österreicher hat einen Migrationshintergrund, so der jährliche Integrationsbericht, der am Mittwoch von Integrationsminister Sebastian Kurz (ÖVP) präsentiert wurde.
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Weniger EU-Bürger zugewandert

Der Wanderungssaldo – also Zuzügler minus Wegzügler – zeigt ein noch klareres Bild: Netto wanderten im Vorjahr 7.000 EU-Bürger weniger zu als im Jahr davor. Aus den klassischen Einwanderungsregionen Exjugoslawien und Türkei wanderten ebenfalls weniger Menschen ein: Hier liegt der Saldo um rund 2.700 unter dem Niveau von 2015.

Mehr als die Hälfte der netto Zugewanderten sind EU-Bürger. Größte einzelne Herkunftsgruppe sind die Afghanen – wenn auch die Anerkennungsrate bei ihnen gering ist –, gefolgt von Syrern, wiederum knapp gefolgt von Rumänen. An vierter Stelle liegen die Ungarn, an fünfter die Deutschen.

Das traditionell wichtige Zuwanderungsland Türkei nimmt in der Wanderungsstatistik einen bescheidenen Platz ein: Auch im Vorjahr wanderten trotz Repressionen in der Türkei nur 3.700 Türken ein. Gleichzeitig wanderten 3.059 Personen ab, netto wanderten aus der Türkei also nur 648 Personen zu. Zum Vergleich: Im selben Zeitraum kamen 16.700 Rumänen nach Österreich, netto waren es 7.531. Bei den Rumänen und Bulgaren mache vor allem die hohe Arbeitslosigkeit Sorge: Unter ihnen ist die Arbeitslosenquote höher als bei den Ausländern insgesamt.

Migration halbiert

In Summe hat sich der Wanderungssaldo von 2015 auf 2016 halbiert. Das Niveau sei aber weiterhin hoch, sagt Heinz Faßmann, Vorsitzender des Expertenrats für Integration im Integrationsministerium.

Blickt man auf den Arbeitsmarkt, so hat sich die Zahl der Erwerbstätigen mit Migrationshintergrund erhöht. Zu verdanken sei dieser Anstieg vor allem Zugewinnen bei Migranten aus den neueren EU-Ländern, aber auch den Geflüchteten, sagt Stephan Marik-Lebeck von der Statistik Austria. Die Mehrausgaben infolge der Integration von Flüchtlingen werden laut einer Studie der Migrationsforscherin Gudrun Biffl in den Jahren 2015 bis 2019 auf rund 8,1 Milliarden Euro geschätzt.

"Vor Vereinnahmung nicht gefeit"

Die Präsentation des Integrationsberichts findet jedes Jahr im August statt. Diesmal fällt sie zwar in den Nationalratswahlkampf, aber "vor politischer Vereinnahmung ist man sowieso nicht gefeit", meint Faßmann.

Integrationsminister Sebastian Kurz (ÖVP) plädierte erneut für eine Drosselung der Migration. "Wir müssen selbst entscheiden, wer zuwandert und wer nicht", sagt Kurz. Wobei Faßmann ergänzt, dass die Handlungsmöglichkeiten der Politik hier begrenzt seien – Stichwort EU-Freizügigkeit. Auch hier müsse man mehr tun, um die "Zuwanderung ins Sozialsystem" zu begrenzen, so Kurz. Was er damit genau meint und wo er ansetzen würde, will er aber noch nicht verraten: Sein Wahlprogramm werde er im September vorlegen, dem wolle er "nicht vorgreifen".

Schlechte Stimmung

Laut einer GfK-Erhebung, die im Integrationsbericht zitiert wird, hat sich die Stimmung der nichtzugewanderten Bevölkerung in puncto Integration verschlechtert. 63,5 Prozent stufen das Gelingen der Integration als schlecht oder sehr schlecht ein. Bei Österreichern mit Hochschulabschluss ist dieser Anteil noch höher, er liegt bei 65 Prozent.

Laut dem Integrationsexperten Kenan Güngör liegt dieser Integrationspessimismus einerseits an einer Art "Kontrollverlust", da niemand wisse, wie sich die Migration in den nächsten Jahren verändern wird, andererseits aber auch an einer "Demutserwartung": Viele erwarteten von den Neuankömmlingen, dass sie sich demütig und dankbar für die ihnen angebotene Hilfe zeigten. Werde diese Erwartung nicht in der gewünschten Art und Weise erfüllt, dann schlage das oft in Ressentiment um, so Güngör. In puncto Migrationspolitik plädiert der Experte dafür, weniger auf Pull-Faktoren und stärker auf die Gründe der Migration zu achten: Vor allem im nordafrikanischen Raum müsse viel passieren, um Fluchtgründe – Armut und Instablilität – zu beseitigen.

Verschlechtert hat sich die Stimmung auch bei den länger ansässigen Zugewanderten: Von jenen, die bereits länger als zwanzig Jahre hier leben, sagen immerhin 27 Prozent, dass sich ihre "persönliche Lebenssituation" in den vergangenen fünf Jahren verschlechtert habe. (Maria Sterkl, 23.8.2017)