"Das widerspricht jedem modernen Freiheitsgedanken", meint SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder zu den geplanten Netzsperren.

apa

Justizminister Wolfgang Brandstetter hatte angesichts der nicht ganz so pessimistischen Aussagen von Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil noch auf einen Kompromiss mit der SPÖ gehofft.

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Wien – Justizminister Wolfgang Brandstetter hat die Hoffnung noch nicht aufgegeben. Er kündigte vor der am Freitag stattfindenden Sitzung des Nationalen Sicherheitsrats an, den umstrittenen Entwurf zum Sicherheitspaket in punkto rechtsstaatliche Absicherung entschärfen zu wollen, und bietet der SPÖ weitere Gespräche an. Der rote Klubchef Andreas Schieder macht im STANDARD-Gespräch allerdings klar, dass die SPÖ vor der Wahl Verhandlungen für nicht mehr sinnvoll hält.

STANDARD: Man kennt sich bei der SPÖ-Position zum Sicherheitspaket beziehungsweise der Online-Überwachung nicht aus. Justizsprecher Hannes Jarolim sagt sinngemäß: Der Entwurf ist ein Wahnsinn. Bei Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil klingt das weniger dramatisch, er ortet nur den einen oder anderen Gesprächsbedarf.

Schieder: Die Entwürfe von Justiz- und Innenministerium waren denkbar schlecht, was sich in unzähligen kritischen Stellungnahmen widergespiegelt hat. An unseren Hauptkritikpunkten hat sich nichts geändert: Wir sind gegen einen Bundestrojaner, also den Einsatz einer Schadsoftware zur Überwachung von Onlinekommunikation. Die Möglichkeit einer anlasslosen Massenüberwachung entspricht dem, was der Verfassungsgerichtshof schon einmal aufgehoben hat. Auch sehen wir in den geplanten Sicherheitsforen (Gremien zur Einbindung von Bürgern, Anm.) eine Privatisierung der polizeilichen Aufgaben durch die Hintertür, weil hier Privatpersonen Zugriff auf sensible Daten hätten. Zudem sind Punkte enthalten, die nie diskutiert wurden: etwa Netzsperren im Internet. Das widerspricht jedem modernen Freiheitsgedanken.

STANDARD: Aber wie passt das mit den Doskozil-Aussagen zusammen, dass es nur um technische Details gehe, die es zu klären gelte?

Schieder: Die SPÖ ist sich im Klaren, dass man bei den Ermittlungsmethoden den technischen Weiterentwicklungen Rechnung tragen muss. Aber: nur bei Gefährdungslage und nur durch Staatsanwalt oder richterliche Anordnung – aber keine Vorratsdatenspeicherung und kein Trojaner.

Der Entwurf beantwortet diese Punkte schlecht und wirft zusätzliche Fragen auf. Daher: So, wie das Paket vorliegt, ist es nicht beschließbar. Darin sind sich alle in der SPÖ einig. Nachdem das Gesetz sowieso erst 2019 in Kraft treten soll, wäre es daher das Beste, den Entwurf zurückzuziehen und im nächsten gewählten Parlament eine breite Diskussion zu führen: unter Einbeziehung von Rechtsschutzexperten, Programmierern, Staatsanwälten. Wir sollten einen Neuanfang machen.

STANDARD: Für die SPÖ macht es also keinen Sinn mehr, vor der Wahl darüber zu verhandeln, auch wenn Justizminister Brandstetter Entschärfungen und weitere Verhandlungen anbietet?

Schieder: Das macht keinen Sinn. Wer so einen schlechten Entwurf vorlegt, braucht nicht glauben, dass man das im Wahlkampf verhandeln kann.

STANDARD: Wie derzeit bei vielen Dingen könnte man aber schon den Eindruck bekommen, dass es bei der SPÖ nicht eine, sondern mehrere Strategien gibt. Einen Flügel, der auf Datenschutz drängt, und einen, der etwas für das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung tun will.

Schieder: Das ist ja kein Widerspruch. Es ist sozialdemokratisches Ansinnen, etwas für die öffentliche Sicherheit zu tun. Aber niemand will, dass das durch Massenüberwachung geschieht. Wer behauptet, mit derart schlechten Entwürfen etwas für die Sicherheit zu tun, verkauft nur Wahlkampfschmähs. Dafür wird sich niemand in der SPÖ einspannen lassen.

STANDARD: Bei ÖVP-Chef Kurz ist eher eine Strategie zu erkennen. Er versucht nun der SPÖ beim Steuerthema das Wasser abzugraben. Auch er will Google und Co den Kampf ansagen, Gewinnverschiebungen in Steueroasen verhindern, digitale Betriebsstätten im Steuerrecht einführen. Alles Punkte, die die SPÖ gefordert hat.

Schieder: Wir haben dazu im April ein umfassendes Konzept vorgelegt. Wenn Kurz einiges davon übernimmt, bin ich froh, weil man als Staat nicht zuschauen kann, wenn es sich die Großen richten, aber die Kleinen überbleiben. Sehr lange hat man zugeschaut, wie sich einzelne Firmen, auch österreichische, solcher Schlupflöcher bedienen. Manche finden sich jetzt auf der Minister- oder Spendenliste des Herrn Kurz. Wenn er diese Schlupflöcher nun schließen will, ist es gut. Wir werden den Lackmustest machen. Einen fixfertigen Entwurf haben wir der ÖVP bereits im Frühjahr übermittelt. Wenn man es ernst meint, können wir das jederzeit beschließen.

STANDARD: Angriffsfläche bietet Kurz der SPÖ aber wenig. Er hat bei den Pensionen eingelenkt, auch beim Pflegeregress. Er macht das nicht ungeschickt.

Schieder: Sie können es nicht ungeschickt nennen, man könnte aber auch sagen: Er hat keine eigenen Ideen. Wann immer die SPÖ Themenführerschaft hat, fühlt er sich gezwungen zuzustimmen. Also: Wenn er auf unsere Vorschläge einschwenkt, soll es uns recht sein. Es gibt aber auch Punkte, wo wir uns klar unterscheiden: Seine Rechnung, zwölf bis 14 Milliarden Euro einsparen zu wollen, geht sich beispielsweise von vorne bis hinten nicht aus.

STANDARD: Wobei man die Rechnung noch gar nicht kennt, weil er keine Details verrät.

Schieder: Klar ist: Wenn man zwölf bis 14 Milliarden einsparen will, wird das nicht schmerzlos gehen. Die großen Brocken im Staat sind die Pensionen, die Gesundheit, das Bildungssystem. Wenn er hier kürzen will, wäre es ehrlich, das zu sagen. Nicht von großer wirtschaftspolitischer Erfahrung getragen ist auch, dass er die Nullzinspolitik der Europäischen Zentralbank beenden will.

STANDARD: Die Nullzinspolitik der EZB wird aber so oder so langsam zurückgefahren werden.

Schieder: Aber man muss schon sagen: Das niedrige Zinsniveau hat der Wirtschaft genützt, hat bei der Bekämpfung der Krise genutzt. Wer nun die Mechanismen zur Krisenbekämpfung kritisiert, zeigt nur, dass er nicht verstanden hat, was uns in die Finanzkrise geführt hat. Außerdem halte ich es für wichtig, die Unabhängigkeit der Notenbank nicht anzutasten.

STANDARD: Noch eine Frage an den Wiener Andreas Schieder. Bürgermeister Michael Häupl hat in Erinnerung gerufen, dass seine Nachfolge noch ungeklärt ist. Ihnen werden Ambitionen nachgesagt, Sie haben sich aber noch nicht deklariert.

Schieder: Es ist jetzt Nationalratswahlkampf, daher konzentriere ich mich nur darauf und nicht auf Fragen zur Wiener Stadtpolitik. An dieser Diskussion braucht man jetzt nicht teilnehmen.

STANDARD: Aber die Diskussion gibt es ja: Wohnbaustadtrat Michael Ludwig meint, er habe schon eine breite Mehrheit hinter sich. Sehen Sie die auch?

Schieder: Ich kann es nur wiederholen: Für mich gibt es jetzt nur die Nationalratswahl, daher kommentiere ich alle diese Fragen zur Wiener Stadtpolitik gar nicht. (Günther Oswald, 29.8.2017)