Nicht nur harte Arbeit führt zu Muskel- und Skeletterkrankungen – der häufigsten Diagnose bei Berufstätigen. Wer krank und arbeitslos ist, findet nur schwer in einen Job zurück.

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Wien – Ein Unglück kommt selten allein: Menschen, die arbeitslos sind, haben öfter gesundheitliche Probleme als Erwerbstätige. Schulungen, Förderungen und Beratungen sollen Arbeitslosen helfen. Doch wie wirksam sind diese arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen, wenn Arbeitslose gesundheitlich belastet sind?

Das Österreichische Institut für Wirtschaftsforschung (Wifo) hat sich im Auftrag des Sozialministeriums diese Problematik genauer angesehen. In der vor kurzem erschienenen Studie "Einsatz und Wirkung arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen für Personen mit gesundheitlichen Einschränkungen" erstellten Wifo-Forscher Helmut Mahringer und Kollegen einen neuartigen und umfangreichen Datensatz.

Zugrunde liegt eine Vollerhebung der Erwerbspersonen in Oberösterreich, erklärt Mahringer: Anonymisierte Daten zu Erwerbs- und Versicherungsverläufen inklusive Krankenständen, Heilmittelkonsum, Arztbesuchen und Spitalsaufenthalten wurden mit entsprechenden Daten des Arbeitsmarktservice (AMS) kombiniert und "analytisch zusammengeführt".

Der Blick auf die Gesamtheit der Erwerbspersonen, also egal ob in Beschäftigung oder arbeitslos, zeigt, dass durchschnittlich etwa zehn Prozent gesundheitliche Probleme haben. Bei den 15- bis 24-Jährigen sind nur zwei Prozent betroffen, bei den 50- bis 64-Jährigen sind es 20 Prozent. Die mit Abstand bedeutendsten "Diagnosegruppen" sind Muskel- und Skeletterkrankungen und psychische Problemlagen. Im überwiegenden Teil der Fälle tragen zwei oder mehr diagnostizierte Krankheiten zur Belastung bei.

Betrachtet man die Gesundheitsprobleme nach Erwerbsstatus, zeigt sich ein großer Unterschied: Während bei den unselbstständig Beschäftigten 8,5 Prozent eine Einschränkung aufweisen, sind es bei den als arbeitslos vorgemerkten Personen knapp 23 Prozent. Bei Langzeitarbeitslosen erhöht sich dieser Wert auf mehr als 40 Prozent.

Die Wifo-Forscher haben sich nun angesehen, ob und wie stark verschiedene Arbeitsmarktmaßnahmen Personen mit gesundheitlicher Beeinträchtigung dabei helfen, einen neuen Job zu finden. Die Maßnahmen können grob in folgende Felder unterteilt werden: Qualifizierungsmaßnahmen wie Kurskostensubventionen, Beschäftigungsmaßnahmen wie sozioökonomische Betriebe oder Lohnkostenförderung für die Einstellung bestimmter Personengruppen sowie weitere Unterstützung durch Beratungs- und Betreuungseinrichtungen. Auch eine Kontrollgruppe mit Personen, die keine derartigen Maßnahmen in Anspruch genommen haben, wurde erstellt.

Erfolgsrezepte

Als Ergebnis attestieren Mahringer und Kollegen fast allen Maßnahmen positive Effekte. Bei den Qualifizierungsmaßnahmen haben demnach jene Aktivitäten Erfolg, die Fachinhalte vermitteln. Reine Aktivierungsmaßnahmen, etwa Kurse zur aktiven Arbeitssuche oder Bewerbungstrainings, würden bei den Arbeitslosen mit gesundheitlichen Einschränkungen kaum Erfolg bringen. Die Resultate der fachlichen Qualifizierungsmaßnahmen konnten sich allerdings erst am Ende des dreijährigen Beobachtungszeitraums stärker manifestieren.

Auch sozioökonomische Betriebe und gemeinnützige Beschäftigungsprojekte sind der Studie zufolge erfolgreich: Drei Jahre nach einer Förderung sind über 21 Prozent der gesundheitlich beeinträchtigten Teilnehmer in Beschäftigung, ohne Förderung nur 16 Prozent – ein Anstieg von mehr als einem Drittel. "Insgesamt sind die Beschäftigungsmaßnahmen stärker in der Wirkung als Qualifizierung, allerdings auch teurer", so Mahringer.

Eine wichtige Erkenntnis liegt im langfristigen Vergleich gesundheitlich belasteter Arbeitsloser mit Beschäftigten: 80,3 Prozent der belasteten Berufstätigen von 2012 waren auch 2014 noch beschäftigt. Von den gesundheitlich belasteten Arbeitslosen waren jedoch nach den zwei Jahren nur 27,1 Prozent in Beschäftigung, von den nicht belasteten hingegen 55,2 Prozent.

"Das zeigt, dass es viel leichter ist, gesundheitlich belastet in Beschäftigung zu bleiben, als in eine neue Beschäftigung zu kommen", resümiert der Wifo-Forscher. Nach einem Bandscheibenvorfall kann im Betrieb vielleicht die Tätigkeit variiert werden. Wer arbeitslos ist und gewisse Tätigkeiten nicht verrichten kann, ist bei der Arbeitssuche hingegen stark benachteiligt. Die Erkenntnis unterstreicht für Mahringer die besondere Wichtigkeit präventiver Maßnahmen zum Erhalt der Beschäftigung trotz Krankheit: "Vom Mitteleinsatz ist das wesentlich effektiver, als die Menschen arbeitslos werden zu lassen." (Alois Pumhösel, 2.9.2017)