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Die Entwicklung beim autonomen Fahren schreitet rapide voran. Hauser rechnet mit riesigen Folgen.

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Hauser: "In Cambridge gibt es 16 Firmen, die mehr als eine Milliarde Pfund wert sind. Davon haben sechs etwas mit mir zu tun."

Hermann Hauser

STANDARD: Lange Zeit hat sich kaum jemand für das Thema Start-ups in Österreich interessiert, Sie selbst haben vor Jahren die Rückständigkeit in dem Bereich beklagt. Wie sehen Sie die Lage jetzt?

Hauser: Das hat sich in den letzten fünf Jahren schnell geändert. Es ist natürlich auch leichter, als Schlusslicht auf der Überholspur zu sein. Das scheint jetzt der Fall zu sein.

STANDARD: Auch die Parteien schmücken sich mit Start-ups. Nehmen Sie das ernst?

Hauser: Das ist schon wichtig. Es geht ja nicht nur um Start-ups, sondern auch um Klein- und Mittelunternehmen. Große Unternehmen kreieren Wohlstand, kleine Jobs.

STANDARD: Worauf legen Sie bei Ihren Investments den Fokus?

Hauser: Auf Spitzentechnologie, die ganze Sektoren umgestalten können, also auf die sogenannte Disruption. Das Thema hat mich immer schon begleitet, schon bei der Gründung von ARM. Es ging dabei um neue Mikroprozessoren für das maschinelle Lernen. Heute ist Intel im Vergleich zu ARM ein Nischenplayer. Bei Mikroprozessoren für Mobiltelefone liegt der ARM-Marktanteil bei 95 Prozent. Jetzt geht es um völlig neue Ansprüche an die Mikroprozessor-Architektur. Unsere Venture-Capital-Gruppe Amadeus ist an Graphcore beteiligt. Das Unternehmen produziert Intelligence Processing Units. Ein Chip wird über mehr als 7000 Prozessoren auf einem Chip verfügen.

STANDARD: Welche weiteren Entwicklungen forcieren Sie?

Hauser: Zum Beispiel autonomes Fahren. Hier benötigt man leistungsstarke Computer, um zu erkennen, ob es sich bei den Verkehrsteilnehmern um Fahrräder, Fußgänger oder Autos handelt. Das passiert jetzt blitzschnell. Amadeus ist an einem führenden Entwickler beteiligt: FiveAI.

STANDARD: Sie haben von Disruption gesprochen. Wie wird sich autonomes Fahren auf konventionelle Autohersteller auswirken?

Hauser: Ich mache mir große Sorgen, speziell um die deutsche Autoindustrie. Es kommt immer wieder zu großen Entwicklungswellen. Microsoft und Intel sind gute Beispiele für Unternehmen, die Entwicklungswellen total verschlafen haben. Im Smartphonebereich haben beide Konzerne keine Marktanteile. Ich bin überzeugt, dass solche Entwicklungen auf alle Industriesparten zukommen, nur in verschiedenen Perioden. Die deutsche Autoindustrie steht gleich vor zwei Disruptionen. Die kleinere kommt mit dem Elektroauto und seinem wichtigsten Baustein, der Batterie, bei der Deutschland keine Rolle spielt. Die große Disruption ist das autonome Fahren.

STANDARD: Welche Auswirkungen erwarten Sie konkret?

Hauser: Ich denke, dass es in fünf bis zehn Jahren drei bis fünf der größten Autohersteller der Welt nicht mehr geben wird. Nach meiner Prognose wird darunter auch einer der drei deutschen Autos Mercedes, VW und BMW sein.

STANDARD: Wie begründen Sie diese enormen Auswirkungen? Ob autonom oder nicht, es wird weiter Auto gefahren.

Hauser: Ja, aber es kommt zu einer Umstellung von Autobesitz auf Transportdienstleistung. Uber und andere Fahrdienste werden durch das autonome Fahren noch attraktiver. Da braucht man keine 10.000, 30.000 oder 50.000 Euro für ein Auto auszugeben. Wenn ich jetzt und hier einen Wagen bestelle, wartet er schon auf mich, wenn ich das Lokal verlasse. Da geht es dann um zehn Euro. Und dann kommt noch der Markeneffekt, der wegfällt. Heute sagt es etwas über einen Autofahrer aus, wenn er BMW oder Mercedes fährt. Wenn man einen Uber bestellt, ist die Marke total irrelevant.

STANDARD: Warum verschlafen große Konzerne wie Microsoft, Nokia oder eben deutsche Autohersteller neue Entwicklungen?

Hauser: Nehmen wir wieder die deutschen Autos. Der Grund für die starke Stellung ist, dass die obersten Leute exzellente Ingenieure sind. Genau das ist jetzt falsch. Die deutschen Chefs haben Benzin in den Adern, jetzt braucht sie aber Software in ihren Adern. Auch Tesla-Gründer Elon Musk ist ein Software-Mann. Die Gene sind falsch. Der zweite Grund ist die Änderung im Businessmodell. Angenommen, Mercedes oder BMW schafft es, ein gutes fahrerloses Auto zu entwickeln. Der First Mover wird dann aber Tesla bleiben.

STANDARD: Wieder einmal haben US-Konzerne bei technologischen Entwicklungen die Nase vorne.

Hauser: Das stimmt. Man sieht aber auch, dass sie der Vorsprung von Silicon Valley vor der US-Ostküste, dann Großbritannien und dann Kontinentaleuropa verringert hat. Das Gefälle ist weniger steil als vor zehn Jahren.

STANDARD: Aber die großen Dominatoren heißen Google, Apple, Facebook, Amazon.

Hauser: Sicher. Dabei handelt es sich mittlerweile um so große Monopole, dass man sie zerschlagen muss. Das muss klarerweise die EU unternehmen, denn die Amerikaner machen das klarerweise nicht. Man sollte Europa aber nicht immer mit Silicon Valley vergleichen, nehmen wir Cambridge. Vor 15 Jahren hatten wir keine Firma, die mehr als eine Milliarde wert ist. Heute gibt es 16, davon haben sechs etwas mit mir zu tun. Die erfolgreichste ist ARM, die um 30 Milliarden Euro verkauft wurde.

STANDARD: Überwog die Freude über den hohen Preis oder die Wehmut, dass sich die japanische Softbank ARM einverleibt?

Hauser: Ich war jedenfalls dagegen, weil es noch viel Wertsteigerungspotenzial und weil ARM die einzige britische Firma ist, die im IT-Bereich einen internationalen Fußabdruck hinterlässt.

STANDARD: Der Brexit hat bei ARM schon eine Rolle gespielt, weil das Pfund gesunken ist. Rechnen Sie mit weiteren Folgen für Venture Capital?

Hauser: Es gibt einen direkten Einfluss, weil ein Viertel des englischen Risikokapitals vom Europäischen Investitionsfonds kommt. Der EIF hat seine Finanzierungen bereits gestoppt, weil er nicht weiß, ob Großbritannien den Fonds weiter unterstützt.

STANDARD: In Österreich gab es in den letzten Jahren auch beachtliche Verkäufe von Neugründungen wie Runtastic, Shpock oder My Sugar. Sehen Sie hier eine Goldgräberstimmung?

Hauser: Es ist ganz wichtig, dass solche Rolemodels passieren. Vor zehn Jahre hatte ich bei Vorträgen in Österreich das Gefühl, dass die Leute überhaupt kein Verständnis dafür haben, worüber ich geredet habe. Jetzt haben wir zwölf oder 13 Investments in Österreich.

STANDARD: Wo sehen Sie besondere Potenziale?

Hauser: Wir haben Universitäten und Departments, die weltweit führend sind. Beispielsweise an der TU, oder zwei Quantengruppen in Innsbruck. Ich unterstütze einen jungen Professor, der eine neue Quanten-Computerarchitektur erfunden hat. (Andreas Schnauder, 31.8.2017)