Die nigerianische Autorin Chimamanda Ngozi Adichie ist überzeugte Feministin.

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Chimamanda Ngozi Adichie, "Liebe Ijeawele – Wie unsere Töchter selbstbestimmte Frauen werden", € 8,30 / 80 Seiten. S.-Fischer-Verlag, Frankfurt am Main.

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Wien – Als Chimamanda Ngozi Adichie in ihrer Kindheit in Nigeria begann, Geschichten zu schreiben, waren die Charaktere weiße Kinder mit blauen Augen, die gerne Ginger Beer tranken, Äpfel aßen und sich freuten, wenn endlich einmal die Sonne schien. Der Grund, warum Adichie als nigerianisches Mädchen über solche Kinder schrieb, lag darin, dass es das war, was sie aus ihren Kinderbüchern kannte.

So beginnt die Autorin ihren TED-Talk aus dem Jahr 2009 mit dem Titel "The Danger of a Single Story". Das Video gehört mittlerweile zu den meistgesehenen TED-Vorträgen. Und Adichie schreibt inzwischen Geschichten über ihr Heimatland Nigeria und die Menschen dort. 2013 gelang ihr mit dem Roman "Americanah" über ein Paar aus Nigeria, die dortigen politischen Unruhen und Rassismus in den USA und England ein vielbeachteter Bestseller. Das Buch befand sich lange Zeit auf den Bestsellerlisten und wurde von der "New York Times" und der BBC unter die zehn besten Bücher des Jahres 2013 gewählt.

"We Should All Be Feminists"

Bereits ein Jahr zuvor hatte Adichie durch einen TED-Talk mit dem Titel "We Should All Be Feminists" auf sich aufmerksam gemacht. Als die Sängerin Beyoncé Teile daraus in einem Song sampelte und die Kreativchefin von Dior Models in T-Shirts mit dem Slogan über den Laufsteg schickte, war Adichies Status als Vertreterin des modernen Feminismus in der Popkultur manifestiert. Ein Manuskript des Vortrags erschien im Juli 2014 auch als Buch mit demselben Titel und wurde in Schweden auf Bestreben der Frauenlobby und mit Unterstützung durch die UN sogar an alle 16-jährigen SchülerInnen verteilt.

Im Frühjahr 2017 hat die Autorin ein weiteres feministisches Buch herausgebracht. "Liebe Ijeawele – Wie unsere Töchter selbstbestimmte Frauen werden" ist ein Ratgeber in 15 Punkten, der einer Freundin der Autorin gewidmet ist. Diese hatte Adichie nach der Geburt ihrer Tochter um Rat gefragt, wie sie sie zur Feministin erziehen könne. Adichie hatte damals selbst noch keine Kinder, mittlerweile hat sie eine kleine Tochter, aber sie beschloss dennoch, ihre Freundin Ijeawele zu beraten. Und mit ihr wohl hunderttausende Frauen und Mädchen rund um die Welt.

Feministisches Manifest

Im englischen Original ist der Titel des Buches noch ein Stück eindeutiger: "A Feminist Manifesto in Fifteen Suggestions" – der Name ist Programm. Auf 80 Seiten teilt Adichie ihre feministischen Erfahrungen mit ihrer Freundin und den LeserInnen. Gleich der erste Tipp scheint dabei so logisch und wichtig, und dennoch nicht leicht umzusetzen. "Sei eine vollständige Person" – Mutterschaft sei zwar ein großartiges Geschenk, aber Ijeawele solle sich nicht nur als Mutter definieren, ihre Tochter würde davon profitieren.

Sie rät ihrer Freundin dazu, einer Arbeit nachzugehen, die sie gerne macht, und sich nicht von Tradition oder Verwandtschaft einreden zu lassen, dass sie ausschließlich zu Hause bei den Kindern bleiben sollte. Sie solle sich selbst außerdem erlauben zu scheitern und auf ihre eigenen Bedürfnisse hören. Viele der Ratschläge im Buch zeigen auf, dass wenn man als Mutter die Kinder mit feministischen Idealen großziehen möchte, man zunächst bei sich selbst ansetzen sollte.

Die Autorin hat etwas dagegen, dass Männer oftmals für eine aktive Vaterrolle übertrieben gelobt werden, dasselbe gilt Adichie zufolge allerdings auch für Mütter. Beide Eltern hätten zu gleichen Teilen die Verantwortung, sich um das Kind zu kümmern, nachdem sie es in die Welt gesetzt haben. Man sollte auch gar nicht erst von "Hilfe" sprechen, wenn der Vater sich um die Kinder kümmert. Denn das erwecke den Eindruck, dass die Aufgabe eigentlich von der Mutter erfüllt werden müsste und der Vater sie heroisch übernimmt.

"Hinterfrage Sprache"

Der sechste Ratschlag von Adichie an ihre Freundin lautet: "Bring ihr bei, Sprache zu hinterfragen." Sprache sei die Quelle unserer Vorurteile, Überzeugungen und Annahmen. Es sei daher wichtig, die eigene Sprache zu hinterfragen. Sie erzählt beispielsweise von einer Freundin, die beschlossen hat, ihre Tochter nicht mehr als Prinzessin zu bezeichnen, um ihr nicht das Bild einer zerbrechlichen Frau, die erst gerettet werden muss, zu vermitteln.

Außerdem rät Adichie ihrer Freundin dazu, vor ihrer Tochter nie von der "Ehe als Errungenschaft" zu sprechen. Manche Ehen seien glücklich, andere nicht, aber sie sei keine Errungenschaft und nichts, was zwingend erstrebenswert ist. Vielen Mädchen würde die Ehe als Lebensziel regelrecht eingetrichtert werden, während das bei Buben meist nicht der Fall ist. Der Autorin zufolge beginne die Ehe dadurch mit einem Ungleichgewicht, denn Frauen würden der Institution dadurch tendenziell mehr Bedeutung beimessen als Männer.

Make-up und Feminismus sind kein Widerspruch

Auch wenn Adichie ihrer Freundin davon abrät, übertrieben mädchenhafte Kleidung oder Rollenvorstellungen auf ihr Kind zu übertragen, solle sie ihr dennoch die Freiheit lassen, ihr Äußeres so zu gestalten, wie sie möchte. Auch wenn das womöglich bedeutet, dass sich ihre Tochter schminken will und gerne Kleider trägt. Als Mutter müsse sie das genauso akzeptieren, wie wenn sie das nicht möchte. Ijeawele solle nicht glauben, dass eine feministische Erziehung mit der Ablehnung von Femininität einhergehen muss. Adichie selbst liebt Mode und Kosmetik, eine Passion, die sie von ihrer Mutter vermittelt bekommen hat.

Doch nicht immer war das Umfeld der Autorin auch so eingestellt. In einem Essay in der Modezeitschrift "Elle" erklärt Adichie, dass sie am Beginn ihrer Karriere in den USA den Eindruck gewonnen hat, dass Frauen, die als professionell wahrgenommen werden wollten, weniger Wert auf ihr äußeres Erscheinungsbild legten. Deshalb begann sie irgendwann, sich unauffälliger zu kleiden und sich immer mehr anzupassen. Und in ihrem Buch schreibt sie, dass Frauen sich traurigerweise oft schämen oder rechtfertigen würden, wenn sie Interesse an stereotypisch femininen Dingen wie Make-up und Mode haben. Eine gesellschaftliche Entwicklung, die für typisch "männliche" Interessen wie professionellen Sport oder teure Autos nicht gelte.

Heute lebt sie ganz nach ihrem Motto, dass Feminismus und ein Interesse für Mode und Make-up einander nicht ausschließen. Neben der Kollaboration mit dem Modehaus Dior ist sie seit Neustem auch das Gesicht einer britischen Kosmetikmarke. Seit einigen Monaten hat Adichie außerdem einen Instagram-Account, auf dem ausschließlich Fotos von ihren Outfits zu sehen sind. Der Hintergrund dessen ist ihr Bestreben, nigerianische DesignerInnen bekannt zu machen und zu unterstützen. (Julia Sahlender, 4.9.2017)