Frans Timmermans verschärft die Kritik an Polen.

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Brüssel/Warschau/Wien – Auch wenn in Brüssel noch gezaudert wurde: Am Donnerstag verdichteten sich die Anzeichen dafür, dass der Streit zwischen Warschau und der Europäischen Kommission rund um Polens Rechtsstaatlichkeit bald in eine neue Phase treten könnte. Ob Brüssel tatsächlich die Aktivierung von Artikel 7 des EU-Vertrags empfehlen will, der für Grundrechtsverstöße vorgesehen ist und im Extremfall bis zum Stimmrechtsentzug führen kann, das ließ Timmermans zunächst noch offen. Jedoch kündigte er eine harte Haltung in der Frage an. Das Thema sei zwar "politisch schwierig", doch sei dies kein Grund, es fallen zu lassen, so Timmermans.

"Politisch schwierig" ist der Einsatz von Artikel 7 vor allem deshalb, weil sich jene schärfste Waffe, die der EU für die Durchsetzung der Verträge zur Verfügung steht, letztlich als zahnlos erweisen könnte. Für die Feststellung, dass eine "eindeutige Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung" von Grundwerten besteht, reicht zunächst die Zustimmung von vier Fünfteln der Mitgliedsstaaten. Dass eine solche Verletzung aber tatsächlich vorliegt, das müsste im Europäischen Rat einstimmig beschlossen werden. Und das wie Polen nationalkonservativ regierte Ungarn hat angedeutet, eine solche Entscheidung nicht mitzutragen.

Frist abgelaufen

Die EU-Kommission hatte Polen am 26. Juli eine Frist von einem Monat gesetzt, um auf Vorwürfe wegen Untergrabung der Gewaltenteilung zu reagieren. Auslöser war eine Justizreform, die zu heftigen Protesten im In- und Ausland geführt hatte. Mittlerweile hat Brüssel den Eingang der Antwort bestätigt, diese werde nun "sorgfältig geprüft". Polens Außenministerium hat allerdings bereits auf seiner Website erklärt, die Bedenken seien "unbegründet". Die Reformen entsprächen europäischen Standards. Timmermans widerspricht: In keinem anderen EU-Land könne ein Justizminister willkürlich Richter entlassen.

Dass trotzdem noch keine Entscheidung in der Sache gefallen ist, kritisierten am Donnerstag auch österreichische Abgeordnete des Europäischen Parlaments. Nach einer Sitzung des Innenausschusses forderte die Grüne Ulrike Lunacek die Kommission auf, "nicht länger beim Abbau des Rechtsstaates in Polen zuzuschauen".

Othmar Karas (ÖVP) sagte, Rechtsstaatlichkeit sei ein "Teil der DNA der EU", Polen könne sich nicht darüber hinwegsetzen. SPÖ-Mandatar Josef Weidenholzer erinnerte an die Gründung der polnischen Gewerkschaft Solidarnosc vor 37 Jahren: "Nehmen wir dieses historische Datum zum Anlass, ein starkes Zeichen an die polnische Bevölkerung zu schicken, dass Europa auf ihrer Seite steht." (Gerald Schubert, 31.8.2017)