Das Thema Wohnbau werde von den Parteien im laufenden Bundestagswahlkampf weitgehend ignoriert, kritisiert der Direktor des Deutschen Mieterbundes, Lukas Siebenkotten.

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Berlin – Spitzenvertreter der deutschen Bau- und Wohnungswirtschaft warnen vor einem Kollaps des sozialen Wohnbaus, sollte sich der Bund aus diesem Bereich wie geplant zurückziehen. "Um das zu verhindern, ist gleich am Anfang der neuen Legislaturperiode eine Grundgesetzänderung nötig", sagte der Geschäftsführer der Deutschen Gesellschaft für Mauerwerks- und Wohnungsbau, Ronald Rast, am Freitag in Berlin.

Mit der Föderalismusreform 2006 war der Wohnungsbau komplett zur Ländersache geworden. Noch bis Ende 2019 gewährt der Bund den Ländern aber sogenannte Kompensationsmittel als Ausgleich für den Wegfall früherer Finanzhilfen für die soziale Wohnraumförderung. Wegen des Mangels an bezahlbarem Wohnraum in Ballungsgebieten hatte der Bund die Mittel für 2017 und 2018 auf je 1,5 Milliarden Euro verdreifacht.

Mehrwertsteuer-Erleichterungen vorgeschlagne

Der Chef der Gewerkschaft IG Bau, Robert Feiger, schlug vor, den sozialen Wohnungsbau durch einen reduzierten Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent für Projekte in diesem Bereich anzukurbeln.

Enttäuscht zeigten sie sich die Verbandsvertreter von den bisherigen Ergebnissen des Bündnisses für bezahlbares Wohnen und Bauen, das Bauministerin Barbara Hendricks (SPD) ins Leben gerufen hatte. Vor allem beim Versuch, überflüssige Vorschriften zu streichen, um die Baukosten zu reduzieren, sei man keinen Schritt vorangekommen, kritisierte der Direktor des Deutschen Mieterbundes, Lukas Siebenkotten. Er sagte, Schuld daran sei aber nicht allein Hendricks' Ministerium, sondern "das liegt auch an den Ländern".

Kein Wahlkampfthema

Er schlug vor, die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) solle beim Verkauf von bundeseigenen Liegenschaften künftig darauf schauen, "wer das beste Konzept hat und nicht nur, wer den höchsten Preis bietet". Wünschenswert wäre etwa eine gesetzliche Vorgabe, wonach beim Verkauf bundeseigener Grundstücke darauf geachtet werden muss, dass "mindestens ein Drittel bezahlbarer Wohnraum geschaffen wird".

Siebenkotten kritisierte, das Thema Wohnbau werde von den Parteien im laufenden Bundestagswahlkampf weitgehend ignoriert. Dabei sorgten die aktuellen Fehlentwicklungen in diesem Bereich für ein immer größeres Auseinanderklaffen der Schere zwischen Arm und Reich. Während Mieter mit geringen Einkommen zu den Verlierern zählten, "verdienen sich Projektentwickler, die Mietwohnungen sanieren und dann als Eigentum verkaufen, eine goldene Nase".

Zu wenig Bautätigkeit

Hendricks schätzt, dass jedes Jahr 350.000 neue Wohnungen gebaut werden müssen, damit der auch durch Zuwanderung gestiegene Bedarf gedeckt ist. Im vergangenen Jahr waren nach Berechnungen des Bundesverbandes der deutschen Wohnungs- und Immobilienunternehmen etwa 278.000 Wohnungen fertiggestellt worden.

Erst Mitte August wurde bekannt, dass in Deutschland im 1. Halbjahr 2017 die Genehmigungen für neue Wohneinheiten zwar insgesamt um 7,3 Prozent zurückgingen, davon aber vor allem Eigenheime betroffen waren. Im mehrgeschoßigen Wohnbau gab es aber ein kleines Plus von 1,8 Prozent (siehe "Weiterlesen"). (APA/red, 1.9.2017)