War das One-Hit-Wonder einer mit Authentizität gesättigten Literatur: Heinz Sobota, der den Verlockungen des bürgerlichen Lebenswandels einigermaßen standhaft trotzte.

Foto: Götz Schrage

Wien – Eltern sperrten dieses Buch weg. In die Hausbar oder in die Apotheke. Irgendwohin, wo davor ein Schloss dranhing. Das Buch galt als Obszönität. Die Vermengung von Sex und Gewalt, verfasst in einem knappen bis kalten Idiom, das einen nie kaltlässt, sollte vor Heranwachsenden ferngehalten werden. Das Buch heißt Der Minus-Mann. Sein Autor war Heinz Sobota. Es war das einzige Buch, das er je veröffentlicht hat. Wie jetzt bekannt wurde, ist Heinz Sobota am 26. August im Alter von 72 Jahren gestorben.

Sobotas Geschichte ist Traum und Albtraum zugleich. Ein Mann schreibt ein einziges Buch, und das wird ein Bestseller, wird in mehrere Sprachen übersetzt und geht heute auf die 40. Auflage zu. Er hat ausgesorgt. Doch die Geschichte, die er in dem Buch aufgeschrieben hat, ist ein Albtraum: seine Biografie. Geboren wurde Heinz Sobota am 9. November 1944 in Bad Sauerbrunn im Burgenland. Seinen Vater lernte er erst 1949 kennen, der saß bis dahin wegen Kriegsverbrechen im Gefängnis. 1949 beginnt die Geschichte des Minus-Mannes. Die hat Sobota als 30-Jähriger aufgeschrieben, im Gefängnis von Marseille.

Eine (zu) arge Geschichte

Als er nach drei Monaten entlassen wurde, versuchte er, das Manuskript anzubringen. Die Journalisten Peter Michael Lingens und Helmut A. Gansterer versuchten erfolglos, ihm dabei zu helfen. Zu arg, zu radikal war die Geschichte.

Mit 16 versuchte er seinen Vater mit einem Fleischerhammer zu erschlagen, früh lernte er Besserungsanstalten und Gefängnis samt Isolationshaft kennen. Sobota war Zuhälter. Brutal, eitel und skrupellos, ein Totschläger und Vergewaltiger. Das einzig Bürgerliche war seine Hang zur Literatur. Gelesen hat er immer.

1978 erschien Der Minus-Mann beim deutschen Verlag Kiepenheuer & Witsch. Nach einem von Abneigung und Ekel geprägten Verriss im deutschen Fernsehen war die Auflage am nächsten Tag vergriffen. Das Buch sorgte für einen Skandal und verkaufte sich innerhalb kürzester Zeit über 600.000-mal.

Falsche Umarmungen

Sobota hatte plötzlich Geld, bald eine reiche Frau, die Schickeria umarmte das Schmuddelkind, doch er war nicht der Typ dazu. Seine Prägung, seine vom Gefängnis geschulten Reflexe und sein Alkoholismus verhinderten ein geruhsames Leben. Erst 1991 wurde Sobota trocken und fing sich langsam.

Regisseure wie Bernd Eichinger (Wir Kinder vom Bahnhof Zoo, Die unendliche Geschichte) Uli Edel, Alexander Kluge (Deutschland im Herbst), Franz Novotny und Peter Patzak versuchten sich am Drehbuch, doch bis heute wurde die Geschichte nicht verfilmt. Nun gibt es ein Drehbuch des Wiener Regisseurs Paul Poet (My Talk with Florence ...). Er war in den letzten Jahren mit Heinz Sobota befreundet.

Bei ihm und Ulrich Seidls Produktionsfirma liegt das Projekt nun und wartet auf Förderzusagen. Sobota, der an Kehlkopfkrebs litt, ahnte, dass er die Verfilmung nicht erleben würde. (Karl Fluch, 3.9.2017)