Zielscheibe von Gerüchten: US-Investor George Soros.

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Wien – George Soros ist fast so etwas wie der Teufel persönlich – diesen Eindruck könnte man gewinnen, wenn man diversen Postings folgt, die derzeit auf Facebook kursieren. Überall scheint er seine Finger im Spiel zu haben, auch im österreichischen Wahlkampf. Der US-amerikanische Investor soll in Wahrheit hinter der Liste Kurz stehen. Was ist dran an diesem Gerücht? Woher kommt es? Wie ist es in die sozialen Medien gelangt, in denen es sich derzeit inflationär verbreitet?

Bereits im April und Mai tauchen Mutmaßungen über angebliche Verbindungen zwischen Soros und Sebastian Kurz (ÖVP) im Internet auf. Ende Mai greift die oberösterreichische, FPÖ-nahe Zeitung "Wochenblick" das Thema auf und schreibt einen Artikel mit dem Titel: "Hinweise: Steht Soros hinter der 'unabhängigen' Kurz-Liste?" Es ist dieser "Wochenblick"-Artikel, der gerade auf Facebook wieder ein Revival erlebt. Hunderte Male ist er inzwischen geteilt worden. Wieso taucht er gerade jetzt wieder auf?

Zunächst einmal zum Inhalt selbst. "Wochenblick" schreibt von Hinweisen. Laut der Zeitung ist Sebastian Kurz Mitglied des European Council on Foreign Relations (ECFR). Soros' Stiftungen Open Society Foundations sollen zu den größten Geldgebern des ECFR gehören. Tatsächlich ist Sebastian Kurz Mitglied im ECFR. Das ist eine große internationale Organisation, der Personen aus mehr als 30 Ländern angehören, darunter Politiker verschiedenster Couleur. Aus Österreich ist auch Hannes Swoboda von der SPÖ dabei, aus Deutschland Politiker der CDU, der SPD, der FDP und der Grünen. Der European Council on Foreign Relations wird von Open Society Foundations, deren Vorsitzender George Soros ist, finanziell unterstützt. Es gibt jedoch weitere Großspender, darunter diverse Außenministerien, etwa von Norwegen, Deutschland, Dänemark oder Italien, und weitere Stiftungen, wie die Robert-Bosch-Stiftung oder die Stiftung Mercator.

Auferstehung Ende August

Trotz allem: Der "Wochenblick"-Bericht zieht auf Facebook. Und das plötzlich wieder ab 27. August. Wie kam es dazu? Am 27. August passierten drei Dinge. Erstens: "Wochenblick" veröffentlicht einen Folgeartikel, laut dem George Soros den ehemaligen Kern-Berater Tal Silberstein "gestürzt haben soll". Zweitens: Die Facebook-Seite "Die Wahrheit über Sebastian Kurz" postet ein Meme – eine Fotomontage, auf der Sebastian Kurz und George Soros zu sehen sind, der Text dazu lautet: "Soros der Einflüsterer". Und drittens: Verschiedene Seiten und Accounts posten den alten "Wochenblick"-Artikel vom Mai. Johann Gudenus von der FPÖ postet ihn um 10.24 Uhr, damit ist er einer der Ersten.

Weitere FPÖ-Politiker und FPÖ-Seiten teilen den Artikel. Dazu gehören etwa die FPÖ Behamberg, die FPÖ Waldviertel oder die FPÖ Simmering. Unter den FPÖ-Politikern sind Ursula Stenzel, Heinz-Christian Strache und Manfred Haidinger. Haidinger postet außerdem das "Soros der Einflüsterer"-Meme von der Seite "Die Wahrheit über Sebastian Kurz". Wer hinter der Seite steht, ist unklar. Sie scheint neu zu sein – die ersten Beiträge stammen von Ende Juni 2017. Mittlerweile hat die Seite mehr als 10.000 "Gefällt mir"-Bekundungen. Wie viele der Fans echte Menschen sind, ist schwer zu sagen. Ebenso könnten hinter den hunderten Accounts, die den Soros-Kurz-Artikel verbreitet haben, nur einige wenige Personen stehen.

Verdacht auf Fake-Accounts

Viele dieser Accounts sind "Geister". Über ihre Identität lässt sich nichts feststellen, sie haben nicht einmal ein Profilbild, nur einen Namen, der jedoch frei erfunden sein könnte, da Facebook die Echtheit von Angaben nicht überprüft. Einer der Accounts heißt "Anita Navratil". Die Gruppe, die sie mehrmals täglich mit Inhalten versorgt, ist "Österreicher zuerst". Die Artikel stammen von "Wochenblick", Unzensuriert.at oder Russia Today. Regelmäßig teilt diese Gruppe auch Postings von FPÖ-Politikern. So geschehen auch mit dem Soros-Kurz-Artikel von "Wochenblick", den sie von Johann Gudenus übernimmt. Etwa 20 Minuten nach der Veröffentlichung seines Post teilt "Anita Navratil" diesen in der Gruppe.

Sie ist eine von hunderten Accounts, die nichts anderes machen, als Gruppen mit bestimmten Beiträgen zu bespielen. Welche dieser Accounts gefakt sind, ist schwer zu sagen. Während es für Twitter Tools gibt, mit denen sich ganz einfach die Echtheit eines Accounts feststellen lässt, ist es bei Facebook deutlich komplizierter. Für einige Dollar kann man etwa auf der Website allpvastore.com täuschend echte Accounts – mit Namen und Foto – kaufen.

Mithilfe eines Programms, das etwa über die Website "monstersocial.net" für 200 Dollar erhältlich ist, können Nutzer mehrere Hundert Accounts mit wenigen Mausklicks steuern. Diese Fake-Accounts können liken, kommentieren und teilen, automatisiert Freundschaftsanfragen verschicken oder Gruppen beitreten. Ein Gerücht binnen kürzester Zeit über eine (scheinbare) Vielzahl von Personen und Gruppen zu verbreiten wäre somit denkbar einfach. (Von mokant.at-Mitarbeitern Sofia Palzer-Khomenko, Barbara Bürscher, David Steiner, Markus Palzer-Khomenko, 5.9.2017)