Eine persönliche Anekdote: Als Wolfgang Schüssel noch ein junger Mascherlträger, Generalsekretär des Wirtschaftsbundes und Abgeordneter war, organisierte er eine Gruppenreise nach Großbritannien, um Margaret Thatchers Entstaatlichung unter anderem der British Telecom zu studieren. Am Ende der Reise (die teils von der Redaktion, teils vom Wirtschaftsbund finanziert wurde) war man per Du.

Als Schüssel viel später eine Koalition mit der FPÖ schloss, habe ich ihn deswegen kritisiert. Wirklich verstört sagte er: "Aber ich dachte, du bist für Reformpolitik ..."

Ja, aber nicht unter diesen Umständen. Das berufliche Verhältnis blieb korrekt, aber doch kühler als vorher. Das war übrigens auch die Zeit, als die ÖVP beinhart im ORF einen zentralen Chefredakteur namens Werner Mück installierte, der eine erzkonservative Agenda durchziehen wollte. Es war auch die Zeit, in der FPÖ-Sekretär Peter Westenthaler sich drohend in eine ORF-Diskussion hineinverbinden ließ, wo er nichts zu suchen hatte.

Soll heißen: Erstens ergeben sich aus dem beruflichen Kontakt zwischen Journalisten und Politikern immer wieder halb private Kontakte. Aber es ist zweitens für professionell und ethisch gefestigte Journalisten kein Problem, da notfalls zu differenzieren.

Vor allem aber gilt im aktuellen Fall Christian Kern / Tarek Leitner eines: Der Kurz-ÖVP geht es da nicht um ethische Maßstäbe, sondern um massive Einschüchterung kritischer Journalisten im ORF. Ebenso wie es der Schüssel-ÖVP nur darum gegangen ist. Und wie es den meisten anderen Parteien auch nur darum geht. Die ÖVP ist da nur um einiges hemmungsloser, weil sie neokonservativ geworden ist und ihre Liberalität verloren hat.

Zum aktuellen Fall nur so viel: Möglicherweise hätte Tarek Leitner auf die Moderation der Sommergespräche vorher verzichten sollen, nachdem bekannt wurde, dass die Familien Leitner und Kern einmal Urlaub miteinander machten, als Kern noch nicht Kanzler war. Wer Kinder hat, weiß, dass sich aus der (Schul-) Freundschaft der Kinder oft Kontakte der Eltern ergeben. Aber es geht halt auch um den Anschein.

Aber nach der durchsichtigen ÖVP-Kampagne, zu der sich auch der Neo-Kurzianer Efgani Dönmez mit Falschbehauptungen hergegeben hat (man dachte eigentlich, sein Fachgebiet sei die Integration von Muslimen), wäre es falsch, wenn der ORF und Tarek Leitner auf eine Moderation bei weiteren Wahldiskussionen verzichten.

Es regen sich ja darüber auch Zeitungen auf – meist solche, die entweder Unsummen an Inseratengeldern aus Steuergeldern kassieren (aber dann oft trotzdem die Hand beißen, die sie füttert), oder die selbst auf dem Schoß von Kanzlern gesessen sind.

Kontakt ist das Handwerkszeug des Journalisten. Oft spielt sich das in einer gewissen Grauzone ab, etwa bei gesellschaftlichen Anlässen. Wer den Beruf nicht verfehlt hat, kann zwischen zulässigem Kontakt und Verhaberung unterscheiden. Und er kann systematische Journalisteneinschüchterung erkennen. (Hans Rauscher, 5.9.2017)