Österreichs Strategie zum Schutz des Klimas muss warten – der Wahlkampf hat Priorität.

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Wien – Was Klimastrategien betrifft, hinkt Österreich den anderen EU-Staaten weit hinterher. Wie der in der vergangenen Woche veröffentlichte Klimaschutzbericht verdeutlicht, wird Österreich – sollte der bisherige Kurs beibehalten werden – die von der EU gesetzten Klimaziele voraussichtlich nicht erreichen.

"Mit den bestehenden Maßnahmen", heißt es in dem Bericht des Umweltbundesamts, sei die Einhaltung des Treibhausgasziels ab 2020 in den Sektoren außerhalb des Emissionshandels "nicht sichergestellt". Dabei hat Österreich sich verpflichtet, jene Emissionen bis 2020 gegenüber 2005 um 16 Prozent zu reduzieren, bis 2030 gar um 36 Prozent.

Wahlkampf versus Strategie

Der Bericht spricht von einem "dringenden Handlungsbedarf" in Klimaschutzfragen: "Dafür braucht es aus unserer Sicht jedoch eine Strategie", heißt es beim Umweltbundesamt. Eine solche integrierte Energie- und Klimastrategie war auch geplant. Das Umweltministerium wollte sie bis zum Sommer fertigstellen, im anlaufenden Wahlkampf wurde sie jedoch auf Eis gelegt. "Die ÖVP war offenbar nicht bereit, sich konstruktiv mit den europäischen und internationalen Verpflichtungen bezüglich Klimaschutz auseinanderzusetzen", sagt SPÖ-Umweltsprecher Klaus Feichtinger zum STANDARD. Von der ÖVP gab es auf Anfrage keine Rückmeldung zum Klimaschutzbericht.

Dabei wäre die Umsetzung der Klimaziele mit einer entsprechenden politischen Rahmensetzung "absolut machbar", meint Johannes Wahlmüller, Klimasprecher bei Global 2000: "Und auch wesentlich mehr wäre möglich." Dennoch sind die Emissionswerte in Österreich seit 1990 leicht angestiegen, während sie im EU-Schnitt um rund ein Viertel gesunken sind. "In Österreich herrscht ein klimapolitischer Stillstand", sagt Adam Pawloff von Greenpeace. Die Emissionswerte wären im Abfall- und Landwirtschaftsbereich seit 1990 zwar leicht gesunken, im Verkehr hingegen um 60 Prozent angestiegen, kritisiert Pawloff.

Ziel schon überschritten

Bei der Pariser Klimakonferenz haben sich die teilnehmenden Staaten das Ziel gesetzt, den globalen Temperaturanstieg auf 1,5 Grad Celsius im Vergleich zum vorindustriellen Niveau zu beschränken. Dieser Wert wurde in Österreich bereits vor einiger Zeit überschritten, sagt Wahlmüller. Bis Ende des Jahrhunderts gehe man von einer Erwärmung von 3,5 Grad Celsius aus. Grund für den verhältnismäßig hohen Temperaturanstieg ist laut dem Klimaexperten unter anderem Österreichs Alpenlage.

Durch den Temperaturanstieg könnten laut einer Studie des Climate Change Centre die gesellschaftlichen Schäden für ein mittleres Klimaszenario bis 2050 auf jährlich bis zu 5,2 Milliarden Euro steigen. Dazu zählen neben Schäden in der Landwirtschaft und dem Tourismus auch Zusatzkosten im Gesundheitsbereich. Bereits jetzt belaufen sich die Kosten durch klima- und wetterbedingte Schäden in Österreich auf rund eine Milliarde Euro pro Jahr.

Hohes Klimaschutzpotenzial

"Kein anderes Land hat ein so großes Klimaschutzpotenzial", sagt Grünen-Klimasprecherin Christiane Brunner. Österreich sei "mit Wind, Sonne und Wasser gesegnet", die Regierung habe im Bereich Klimaschutz jedoch "völlig versagt". Die in den Kinderschuhen steckende Klimastrategie würde Brunner nicht übernehmen, sondern "völlig neu aufsetzen". Wichtig seien vor allem ein Förderstopp für fossile Energie und der Ausbau des öffentlichen Verkehrs. Die Industrie zu dekarbonisieren sei hingegen "schwieriger zu schaffen". Diese zählt zusammen mit dem Energiesektor mit 45,3 Prozent zu den wichtigsten Verursachern von Treibhausgas-Emissionen.

Kohlendioxid (CO2) macht in Österreich mit 84,6 Prozent einen Löwenanteil der Treibhausgasemissionen aus. An zweiter Stelle steht Methan mit 8,3 Prozent, das vor allem durch Gärungsprozesse entsteht. Lachgas, das beim biologischen Abbau stickstoffhaltiger Verbindungen wie Dünger entsteht, nimmt einen Anteil von 4,5 Prozent ein, fluorierte Gase bilden mit 2,6 Prozent den vierten Platz.

Die meisten Treibhausgas-Emissionen nach Bundesländern wurden 2014 in Oberösterreich (29 Prozent) produziert, gefolgt von Niederösterreich (23 Prozent). Große Industriebetriebe wie das Stahlwerk Linz, aber auch Einrichtungen wie die Raffinerie in Schwechat tragen zu den hohen Werten bei. Die Bundeshauptstadt macht trotz der hohen Bevölkerungsdichte nur zehn Prozent der Emissionen aus. In Wien werden beispielsweise trotz des relativ hohen fossilen Anteils durch die kompakte Bauweise niedrige Pro-Kopf-Emissionen erreicht, heißt es in dem Bericht. (Nora Laufer, 6.9.2017)