Wien – Anderswo ist überall. Soziale Medien sind aus dem Alltag der meisten Menschen nicht mehr wegzudenken, da ist es nur logisch, dass sich auch das Kino für all die Clouds zu interessieren versucht, die uns wie eine zweite Realität umschließen. David Fincher hat mit The Social Network (2010) den bisher zwingendsten Film zu den IT-Großunternehmen realisiert, die das Feld bestimmen. Mark Zuckerbergs Aufstieg interpretierte er als Erfolgsgeschichte eines Nerds, dessen Freundschaftsbuch auch eine große Kompensationsübung in Sachen Entbehrungen im realen Leben ist.

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Wahrheitssuche: Emma Watson und John Boyega in "The Circle".
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James Ponsoldts Verfilmung von Dave Eggers' Bestseller The Circle – der Autor hat am Drehbuch mitgearbeitet – zielt nun wie schon das Buch auf eine Innenansicht eines noch viel umfassender agierenden Social-Media-Unternehmens. Der Roman ist eine als Satire getarnte Dystopie, mit einem allzu didaktischen Kern. Eggers schreibt gegen die Internet-euphoriker an, die in der freiwilligen Preisgabe persönlicher Daten eine Art Weltverbesserungsidee erkennen wollen, dabei jedoch dahinter wirksame unternehmerische Strategien sowie gesellschaftspolitische Implikationen fahrlässig ignorieren.

Wie das Buch stellt der Film mit Mae (Emma Watson) eine Circle-Anfängerin in den Mittelpunkt, für die der neue Job als Online-Kundenbetreuerin nicht nur ein ökonomischer Aufstieg ist. Nach anfänglicher Zurückhaltung erfasst und verändert er auch ihr innerstes Selbst. Sie lässt sich auf die Lifestyle- und Transparenzdoktrin des Unternehmens willig ein und geht als erster Mensch mit Minikamera 24/7 online. Ponsoldt fällt dazu leider visuell nicht mehr ein, als das Dauerstreaming Maes mit Posting-Bubbles zu garnieren, die so schnell wieder von der Bildfläche verschwinden, dass man sie gar nicht lesen kann.

Satirischer Übereifer

Überhaupt findet The Circle selten den richtigen Tonfall für diese Fabel einer Verblendung, die erst nach einem fatalen Ereignis in eine kritische Gegenreaktion umschlägt. Im ersten Teil übertreibt es Ponsoldt mit der satirischen Einfärbung und inszeniert den ein oder anderen engagierten Mitarbeiter nah an der Karikatur. Auch Karen Gillan als Maes engste Freundin Annie changiert nur zwischen Gemütsextremen, die keine eigenständige Figur ergeben. Tom Hanks wiederum, der einen der Co-Founder verkörpert, wirkt in etwa so engagiert wie bei einem Gastauftritt an einer Uni, bei dem er mit Phrasen wie "Alles zu wissen, ist besser" ein kritikunfähiges Publikum begeistert.

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Sobald der Film die Pfade eines Thrillers einschlägt, geht es mitnichten eleganter zu. Ein im Buch noch geheimnisvoller Kapuzenträger (John Boyega), der über Insiderwissen verfügt, wird wortwörtlich im Untergrund des Unternehmens vergessen. Begehrliche Blicke auf Mae, die eine seltsam blasse Hauptfigur bleibt, darf er auch keine mehr werfen.

Schon Eggers' Roman hatte das Problem, dass er seine Kritik am Mitmachzwang sozialer Medien allzu mundgerecht aufbereitet hat. Anstatt diese belehrende Note zu umgehen und auf Irritationen zu setzen, verstärkt der Film diese Schwächen nur mit seiner plumpen szenischen Motorik. (Dominik Kamalzadeh, 7.9.2017)