Bonn – Obwohl die meisten der inzwischen bekannten 2.500 Pulsare Einzelobjekte sind, findet man einige davon auch in engen Doppelsternsystemen. Die Entdeckung des ersten Paares von Neutronensternen, des sogenannten Hulse-Taylor-Pulsars, führte zur Verleihung des Physik-Nobelpreises 1993 für "die Eröffnung ganz neuer Möglichkeiten zum Studium der Gravitation".

Forschern des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie (MPIfR) in Bonn ist nun ein spektakulärer neuer Fund geglückt: Sie fanden ein Pulsar-Doppelsternsystem, das Beschleunigungen vom bis zu 70-Fachen der Erdbeschleunigung aufweist. Bei ihrer größten Annäherung würden beide Komponenten, der Pulsar und der ihn begleitende Neutronenstern, locker in einen Sonnenradius hineinpassen.

Die Entdeckung erfolgte im Zusammenhang mit dem "High Time Resolution Universe Survey" (HTRU) zur Untersuchung von Pulsaren mit dem 64-Meter-Parkes-Radioteleskop in Australien. "Die größte Herausforderung ist nicht die Beobachtung selbst, sondern die Verarbeitung der Daten, die eine gewaltige Rechnerleistung erfordert", sagte David Champion, Astrophysiker am MPIfR und einer der Projektleiter des HTRU. "Wir mussten neue Rechenverfahren entwickeln, um speziell nach derart hochbeschleunigten Systemen suchen zu können."

Interessantes Testsystem

Mit weltweit verteilten leistungsfähigen Rechnersystemen durchforsteten die Forscher ihre Beobachtungsdaten nach diesen seltenen Systemen. Entdeckt wurde der Pulsar schließlich von Andrew Cameron, einem Doktoranden am MPIfR, der die Prozessierung der Daten durchgeführt und überwacht hat. "Bei der Untersuchung von hunderttausenden einzelnen Kandidaten stach dieser durch seine starke Beschleunigung unmittelbar hervor", so Cameron. "Ich erkannte, dass wir ein potenziell sehr aufregendes System gefunden hatten, aber es brauchte noch Monate detektivischen Spürsinns, bevor wir genau wussten, was wir da entdeckt hatten."

Das neuentdeckte Binärsystem wurde inzwischen mit dem 76-Meter-Lovell-Teleskop der Universität Manchester, dem 100-Meter-Green-Bank-Teleskop in Virginia und dem 100-Meter-Effelsberg-Radioteleskop untersucht. "Das neue System zeigt eine ganze Menge von Ähnlichkeiten mit dem Hulse-Taylor-Pulsar, für den ein Nobelpreis vergeben wurde, aber es ist sogar noch extremer", sagte Norbert Wex vom MPIfR, Experte für Tests von Gravitationstheorien mit Pulsaren. "Einige der Effekte sind stärker als in jedem anderen Pulsar. Das macht es zu einem ausgezeichneten System, um Einsteins Theorie zu testen." (red, 10.9.2017)