Bild nicht mehr verfügbar.

Robert Lee IV. – ein Nachfahre des berühmten Südstaaten-Generals – prangerte bei den MTV Video Music Awards den Rassismus in den USA als "Ursünde Amerikas" an.

Foto: AFP/Getty Images/Kevin Winter

Winston-Salem/Wien – Spätestens als er sich als Robert Lee IV. vorstellte, hatte der unscheinbare Pastor, der am 27. August gegen Ende der MTV Video Music Awards auf die Bühne schritt, die volle Aufmerksamkeit des Publikums. Ja, stellte er gleich zu Beginn seiner Rede klar: Es gebe eine familiäre Verbindung zu Robert E. Lee, dem ehemaligen Südstaaten-General.

Der Streit um die Entfernung einer Statue jenes Generals (1807–1870), der als Befürworter der Sklaverei bekannt war, aus dem Emancipation Park in Charlottesville, Virginia hatte am 11. August zu rechtsextremen Demonstrationen geführt. Dabei war die 32-jährige Heather Heyer ums Leben gekommen.

Amerikas "Erbsünde"

"Wir haben meinen Vorfahren zum Leitbild von Rassismus und Hass gemacht. Aber als Pastor ist es meine moralische Pflicht, mich gegen Rassismus, Amerikas Erbsünde, auszusprechen", sagte Lee. In der Halle brach Jubel aus.

Robert Lee IV. nutzte seine Rede bei den MTV Video Music Awards, um Rassismus zu verurteilen.

Für seine Rede erntete der 24-Jährige allerdings nicht nur Lob und Zustimmung. In einem am Dienstag veröffentlichten Statement, in dem Lee seinen Rücktritt nach sechs Monaten bei der Bethany United Church of Christ bekanntgab, schrieb er, dass viele Reaktionen vonseiten der Kirchengemeinde "sehr verletzend" ausgefallen seien.

In der in Winston-Salem, North Carolina, gelegenen Bethany-Kirche, die sich auf ihrer Website gegen Diskriminierung jeglicher Art ausspricht, erlebte Lee nach eigener Aussage zwar größtenteils Zuspruch – doch außerhalb seines vertrauten Umfelds soll es anders ausgesehen haben: Eine große Gruppe von Kirchenmitgliedern habe es als störend empfunden, dass er die Menschen aufgefordert hatte, sich von der "Black Lives Matter"-Bewegung, dem im Jänner stattgefundenen "Women's March" und Heyer, die in Charlottesville zu den Gegendemonstranten gehört hatte, inspirieren zu lassen. Auch die Formulierung "Amerikas Erbsünde" (ein Vergleich Lees zum biblischen Sündenfall) soll auf Unmut gestoßen sein.

"Genug ist genug"

Nach der Bekanntgabe seines Rücktritts veröffentlichte Lee ein Video, in dem er kritisierte, dass die Ausblendung von Diskriminierung einer Billigung von jahrhundertealten Problemen wie Rassismus gleichkomme. "Es muss einfach ausreichend Leute geben, die zusammenkommen und sagen: 'Genug ist genug!' Ich rede dabei sowohl von Christen als auch von Nichtchristen", sagte er. "Wir sollten mehr bedenken, wo das alles hinführt."

Für Lee bedeutet sein Rücktritt nicht, dass er aufhören werde, für seine Vorstellung von Gerechtigkeit zu kämpfen: Besonders als Nachfahre von Robert E. Lee sei es ihm wichtig, sich gegen Diskriminierung starkzumachen, erklärte er in einem Interview mit dem National Public Radio, einer organisierten Zusammenarbeit von mehreren Hörfunksendern in den USA.

Lee erzählte, jüngst von einer Frau kontaktiert worden zu sein, die ihm gesagt habe, ihre Vorfahren seien Sklaven seiner Vorfahren gewesen. "Sie hat mir erklärt, wie viel es ihr bedeute, dass jemand sich im Namen meiner Familie gegen Rassismus einsetzt." Das habe ihn stolz gemacht. Denn wenn mit seinem Handeln auch nur einer Person geholfen sei, so Lee, dann habe er etwas richtig gemacht. (Carla Márquez, 7.9.2017)