Prag – Sechs Wochen vor der tschechischen Parlamentswahl muss Umfragefavorit Andrej Babiš mit einer Anklage rechnen. Das Abgeordnetenhaus hob am Mittwoch die Immunität des Gründers der liberal-populistischen Ano-Partei mit überwältigender Mehrheit auf.

Künftig kann die tschechische Justiz wegen des Vorwurfs des EU-Subventionsbetrugs gegen den 63-jährigen Ex-Finanzminister und seinen Parteikollegen Jaroslav Faltýnek ermitteln. Einen Rückzug von der Kandidatur lehnt Babiš dennoch entschieden ab. Gewählt wird am 20. und 21. Oktober.

In der mehr als siebenstündigen Debatte kam es zu heftigen Wortwechseln. Im Mittelpunkt der Affäre steht das Wellnessresort Storchennest. Babišs Firmenimperium soll durch eine Finte knapp zwei Millionen Euro EU-Förderung für das Projekt erhalten haben, obwohl das Geld für kleine und mittelständische Unternehmen bestimmt war. Babiš soll das Resort zu diesem Zweck zeitweise auf Verwandte überschrieben haben. Er zählt zu den reichsten Tschechen, gilt als Dollarmilliardär und besitzt zahlreiche Medien. In der Affäre ermittelt auch die EU-Korruptionsbehörde Olaf.

"Zehn Jahre altes Pseudoproblem"

Babiš räumte keine Schuld ein. "Das ist ein zehn Jahre altes Pseudoproblem", sagte er vor den Abgeordneten. Er sprach von einer "gezielten Aktion", um die Wahl zu beeinflussen. Der sozialdemokratische Spitzenkandidat Lubomír Zaorálek wies das als unsinniges Gerede zurück. "Sie jammern hier schon den ganzen Tag – das ist doch unwürdig", sagte der Außenminister.

"Niemand von uns hat sich 50 Millionen Kronen angeeignet, die für Kleinunternehmer bestimmt waren", kritisierte der konservative Ex-Finanzminister Miroslav Kalousek. Babiš beharrte auf seiner Sicht der Dinge: "Dieser Fall soll mich politisch liquidieren, aber es entscheiden die Bürger in den Wahlen – sie werden das letzte Wort haben." Seine Parlamentsfraktion nahm aus Protest nicht an der Abstimmung teil.

Babiš-Partei deutlich in Führung

Die Kontroverse hat der Ano, die mit Sozialdemokraten (ČSSD) und Christdemokraten (KDU-ČSL) in der Regierung sitzt, bisher kaum geschadet. Laut einer Umfrage der Agentur Median wäre die Partei mit 26,5 Prozent stärkste Kraft, weit vor den Sozialdemokraten mit 14,5 Prozent und den Kommunisten (KSČM) mit 13 Prozent. Das Kürzel Ano stand ursprünglich für "Partei unzufriedener Bürger", "ano" heißt aber auf Tschechisch auch "Ja".

Nach Ansicht mancher Beobachter könnte die Affäre Babišs Partei sogar nützen: "Er kann das Thema so benutzen, wie es ihm passt, nämlich als Beispiel für seinen Kampf und den Kampf der Bewegung Ano gegen die alten politischen Strukturen und korrumpierten Eliten, die ihn angeblich aus der Politik hinausdrängen wollen", sagte der Politologe Milan Znoj im Sender CT. (APA, 6.9.2017)