Ein Mindestlohn von 1500 Euro würde Hilfskräfte besser absichern. Positive Effekte werden jedoch von der Inflation wieder geschluckt.

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Wien – Der Mindestlohn tut der Wirtschaft nicht weh, versichert der Chefökonom der Arbeiterkammer (AK), Markus Marterbauer. Zum Beweis legte die AK am Donnerstag eine beim Wirtschaftsforschungsinstitut Wifo beauftragte Studie vor.

Das Ergebnis: Die Erhöhung des kollektivvertraglichen Mindestlohns auf 1500 Euro (brutto) pro Monat würde den Stundenlohn der Betroffenen durchschnittlich um 1,26 Euro anheben. Insgesamt stiegen die Gesamteinkommen unselbstständig Erwerbstätiger um 910 Millionen Euro. Die Beschäftigung würde letztlich ganz leicht sinken, aber knapp 300.000 Arbeitnehmer wären besser gestellt. Rund zwei Drittel davon sind Frauen, ein Drittel Männer. Dafür wäre der Lohnanstieg bei Männern höher als bei den Frauen.

Junge Menschen als Gewinner

Vom Mindestlohn würden außerdem junge Menschen und Personen mit maximal Pflichtschulabschluss stärker profitieren, deren Löhne zuletzt schwächer gewachsen sind.

Allerdings zeigen internationale Untersuchungen, dass Berufseinsteiger und Junge auch leichter ihren Job verlieren, nachdem ein Mindestlohn eingeführt wurde, wie die Studienautoren festhalten. Die Auswirkungen eines Mindestlohns unterscheiden sich auch nach Branchen.

Am meisten profitieren natürlich Beschäftigte in den typischen Niedriglohnsektoren Handel und Gastronomie, in denen mehr als ein Drittel der Betroffenen arbeitet. Dass die statistisch erfassten Geringverdiener nach Einführung eines Mindestlohnes mehr verdienen, liegt auf der Hand. Interessanter ist daher der simulierte Effekt auf die Gesamtwirtschaft, den die Studienautoren berechnen.

Gleich viele Jobs

Gesamtwirtschaftlich seien die Auswirkungen eines Mindestlohns "gering", wie es in der Studie heißt. Denn ein leichter Anstieg der gesamten Haushaltseinkommen würde durch Gegeneffekte wieder aufgehoben. So steigen zwar die Konsumausgaben, dafür senken höhere Kosten die Exporteinnahmen der Wirtschaft. Außerdem steigt mit den Löhnen auch die Steuer- und Abgabenlast.

Zusammengenommen drücken diese Gegeneffekte die realen Einkommensgewinne. Nach fünf Jahren sollen die Auswirkungen des Mindestlohnes auf die Realeinkommen wieder verschwinden. Dabei wurde noch nicht einmal berücksichtigt, dass die Sozialpartner den Mindestlohn stufenweise bis 2020 planen. In diesem Zeitraum würde die Inflation jegliche Wirkung schnell verwässern.

900 Millionen Euro Mehrkosten

Für die Niedrigverdiener ist das trotzdem nicht egal: Die positive Wirkung verpufft nämlich nicht beim untersten Einkommensdrittel. Letztlich wäre ein Mindestlohn also eine Umverteilungsmaßnahme, erklärt Studienautor Stefan Ederer.

Niedrigere Steuern auf Arbeit hätten aber ebenfalls einen positiven Effekt auf die Einkommen und würden die Beschäftigung ankurbeln. Ein Argument, das bei der Wirtschaft gut ankommt. Schließlich würde der geplante Mindestlohn über 900 Millionen an zusätzlichen Lohnkosten für Arbeitgeber bedeuten, wie Rolf Gleißner von der sozialpolitischen Abteilung der Wirtschaftskammer Österreich (WKO) in einer Aussendung vorrechnet. Da in Deutschland der Mindestlohn bei wesentlich höherer Beschäftigung niedriger ist, sei die Situation mit dem Nachbarland nicht vergleichbar.

Auch der liberale Thinktank Agenda Austria sieht die Einführung des Mindestlohnes kritisch. Berücksichtigt man, dass sich durch einen Mindestlohn auch andere Einkommen erhöhen, stünden bis zu 20.000 Jobs auf dem Spiel. Dennoch gebe es in Branchen wie Beherbergung und Gastronomie noch Luft nach oben, ohne negative Konsequenzen.

In einem sind sich die Ökonomen einig: Der Finanzminister freut sich jedenfalls über den Mindestlohn, denn er darf mit höheren Steuereinnahmen rechnen. (Leopold Stefan, 8.9.2017)