Die Anzeige, wie sie am Mittwoch im Netz stand.

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Nichts für Menschen mit Klaustrophobie.

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Der Eingang zu den Kellerräumen, wo Arbeiter in Kapseln schlafen sollen.

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Wien – Man kennt die Bilder aus China oder Japan, wo sogenannte Space Capsules Hotels kleinste Schlafkojen im Raumschiffstil anbieten. In das Hightecherlebnis auf kleinstem Raum kann man sich – wenn man nicht unter Klaustrophobie leidet – zum Übernachten einmieten. Optisch erinnern die Schlafgelegenheiten in ihrer Enge an eine Mischung aus Biene Maja und Raumschiff Enterprise. Selbst als Urlaubsabenteuer kann sich dafür wohl nicht jeder erwärmen.

Ohne Bettwäsche

In Wien tauchten genau solche Kapseln nun auf einem Immobilieninserat im Internet auf. Sechs Kapseln wurden da am Mittwoch zu je 270 Euro monatlich angeboten. Als sogenanntes "Arbeiterquartier", das Firmen für ihre Arbeiter mieten können. Die berechneten Quadratmeter pro Einheit wurden mit neun angegeben, obwohl eine Kapsel die Größe eines Einzelbettes kaum überschreitet. Das sei so, weil man ja auf dem Weg zur Kapsel auch noch andere Teile des Raums mitnutzt, sagt der Anbieter auf Nachfrage des STANDARD. Nach Anrufen und schriftlichen Anfragen ändert der Mann die Anzeige auf vier Kapseln pro Raum. Der Anzeigentext lautet am Donnerstag nunmehr: "Kompletter Kapselraum unbefristet, Euro 270,– inkl. Steuer nur an Firma zu vermieten". Bettwäsche müsse man aber selbst mitbringen, Dienstleistungen sind nicht enthalten.

Was er unter "kompletter Kapselraum" versteht, erläutert Oliver Wessel, der dasselbe Objekt zuvor auch als Hotel im Netz beworben hat und im Firmenbuch mit seiner Sleepingbox GmbH seit August 2016 eingetragen ist, im Gespräch mit dem STANDARD: "Ich vermiete den Raum mit allen vier Kapseln um 270 Euro an eine Firma." Nachsatz: "Wenn nur eine Kapsel belegt ist. Wenn aber zum Beispiel alle vier Kapseln belegt sind, zahlt die Firma 270 Euro für jede Kapsel."

Kein Schild, keine Klingel

Das macht, wie Wessel bestätigt, 1.080 Euro für ein 40 Quadratmeter großes Zimmer. Und dieses Zimmer befindet sich, wie ein STANDARD-Lokalaugenschein bei der angegebenen Adresse ergab, im Keller eines Altbauhauses. Dass hier einmal ein Hotel war, würde man nicht ahnen. Kein Schild, keine Klingel, nur eine Tastatur, auf der man einen Zahlencode eingeben kann, findet sich neben der Tür.

Dass man als "Beherbergungsbetrieb", als welcher die Sleepingbox im Firmenbuch eingetragen ist, eigentlich Dienstleistungen wie Reinigung und sauberes Bettzeug zur Verfügung stellen müsste, tangiert Wessel nicht. Denn, so erklärt er sein Konstrukt, er sei nur der Geschäftsführer der Sleepingbox, besitze und vermiete die beiden Kellerräume mit den Kapseln, wo auch die Sleepingbox gemeldet ist, aber selbst als Person. Er biete nur ein "ganz normales unbefristetes Mietverhältnis" an, so Wessel.

"Normales Mietverhältnis"

"Wenn das so ist, dann kann man den Mietzins auch bekämpfen", sagt Elke Hanel-Torsch, die Wiener Landesvorsitzende der Mietervereinigung Österreich. Vor allem, weil sich das Objekt in einem Altbau befindet und daher die Höhe der Miete nach dem Mietrechtsgesetz geregelt ist. Was noch dazukommt: "Wenn andere Wohnungseigentümer im Haus nichts davon wussten, könnten sie auf Unterlassung klagen", so Hanel-Torsch.

Obwohl Wessel sein Angebot als "normales Mietverhältnis" bezeichnet, verrechnet er statt zehn 20 Prozent Umsatzsteuer, die man für gewöhnlich bei Halb- oder Vollpension einheben darf. In den Kapseln im Keller in Margareten muss man allerdings Bettwäsche selber mitbringen und bekommt auch kein Frühstück. "Ich vermiete ja gewerblich an Firmen", begründet das Wessel einigermaßen kreativ.

Arbeiterkammer alarmiert

Seitens der Arbeiterkammer ist man allerdings auch noch aus ganz anderen Gründen alarmiert: "Ich würde gerne wissen, welche Firmen für ihre Arbeiter derartige Unterkünfte mieten", sagt Walter Rosifka von der Arbeiterkammer Wien. Auch welche Kosten dabei noch auf die Arbeiter abgewälzt werden, wäre für ihn interessant. Für einen 40 Quadratmeter großen Raum im Souterrain 1.080 Euro zu nehmen sei "jedenfalls ein gesetzeswidrig überhöhter Mietzins für einen Altbau", so Rosifka. "Ob es von der Staatsanwaltschaft sogar als Wucher gesehen wird, weiß ich nicht. In Deutschland wäre das wahrscheinlich so."

Stadt überprüft

Im fünften Bezirk finden regelmäßig sogenannte Problemhausgipfel statt, erzählt die Bezirksvorsteherin Susanne Schaefer-Wiery (SPÖ) dem STANDARD, "da kommen alle befassten Stellen, etwa Baupolizei und das magistratische Bezirksamt, an einem Tisch zusammen, seither ist die Liste mit problematischen Unterkünften kleiner geworden". Als sie zuerst das Inserat mit den Schlafkapseln sah, sei Schaefer-Wiery sprachlos gewesen. "So etwas hatten wir in Margareten sicher noch nicht."

"In ganz Wien ist mir so etwas noch nicht unterkommen", meint Ronald Schlesinger von der Mieterhilfe der Stadt Wien. "Wir werden die Sache aber umgehend überprüfen lassen." (Colette M. Schmidt, 7.9.2017)