Kate Millett analysierte in ihren theoretischen Arbeiten und autobiografischen Romanen das Private als politisch.

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Die US-amerikanische Literaturwissenschafterin, Künstlerin und Feministin Kate Millett ist am Mittwoch im Alter von 82 Jahren in Paris gestorben. Berühmt wurde Millett durch ihr 1970 erschienenes Buch "Sexual Politics" ("Sexus und Herrschaft"), womit sie auch zu einer zentralen Figur der Zweiten Frauenbewegung wurde. Darin beschreibt sie das Patriarchat als die älteste Form menschlicher Unterdrückung. In dem zum Bestseller avancierten Buch, das gleichzeitig ihre Dissertation war, analysierte Millett jene Bereiche, mit denen sich die Zweite Frauenbewegung vorrangig beschäftigte: Beziehungsformen, Sexualität, reproduktive Rechte und die Unterdrückung durch die Kontrolle des Frauenkörpers.

Somit wurde Millett zu einer wichtigen theoretischen Denkerin des Feminismus der zweiten Welle, die die erste Frauenbewegung, die vor allem um das Wahlrecht gekämpft hatte, um bisher als "privat" verstandene Politikfelder erweiterte. Nach Erscheinen von "Sexual Politics" mussten in den USA innerhalb von zwei Monaten sechs Neuauflagen gedruckt werden.

Politisch und autobiografisch

Bevor sich Millett 1965 in den USA der Frauenbewegung anschloss, hatte sie Kunst und Literatur studiert und in der Folge an der University of North Carolina Englische Literatur unterrichtet. 1961 ging sie nach Tokio, wo sie Bildhauerei studierte und den Bildhauer Fumio Yoshimura kennenlernte, mit dem sie bis 1985 verheiratet war. In ihrem zweibändigen Buch "Flying" setzte sie sich autobiografisch mit dieser Ehe auseinander, die sie als qualvoll erlebte. Millett entdeckte in dieser Zeit ihre Homosexualität. Ab Mitte der 1960er-Jahre kämpfe sie nicht nur für Frauenrechte, sondern engagierte sich auch für die Bürgerrechtsbewegung und politische Gefangene in Diktaturen. 1979 ging sie in den Iran, um für Frauenrechte zu kämpfen, wurde aber ausgewiesen. In ihrem Buch "Going to Iran" (1982) schrieb sie über die politische Unterdrückung in dem Land.

Millett war als Fotografin, Bildhauerin und Filmemacherin tätig und schrieb noch weitere autobiografische Romane. In "The Loony-Bin Trip" ("Der Klapsmühlentrip", 1993) schilderte die als manisch-depressiv diagnostizierte Millett ihre Erfahrungen mit der Psychiatrie und starken Psychopharmaka. Sie engagierte sich daher auch in der Anti-Psychiatrie-Bewegung. In Poughkeepsie im US-Bundesstaat New York gründete sie 1978 die Künstlerinnenkolonie Millett Center for the Arts.

Angst vor Altersarmut

In den 1990er-Jahren geriet Millett zunehmend in Vergessenheit. Sie selbst beschrieb in einem vielbeachteten Artikel im "Guardian", dass es trotz ihrer akademischen Qualifikationen schwer sei, Lehraufträge zu bekommen, und dass ihre Analysen über die "Politik des Patriarchats" wohl überholt seien. Zudem äußerte sie sich offen über ihre Geldnot und ihre Angst vor Altersarmut. Auf diesen Artikel hin wurde ihr Buch "Sexual Politics", das bis heute als feministisches Standardwerk gilt, neu aufgelegt. Dem "Guardian" zufolge starb Millett an einem Herzinfarkt in Paris, wo sie ihren Geburtstag feiern wollte. (beaha, 7.9.2017)