St. Pölten – Das neue Haus der Geschichte im Museum Niederösterreich in St. Pölten zeigt ab Sonntag einen Streifzug durch 40.000 Jahre mit Schwerpunkt ab 1848 und baut Brücken zur Gegenwart. Zu den Highlights der 2.000 Exponate zählen der Dienstwagen von Leopold Figl (1902–1965, erster Kanzler nach 1945, Außenminister, Landeshauptmann, ÖVP) und das einzige vollständige Faksimile des Staatsvertrags.

Neben einer Dauerausstellung, die den Bogen von den ersten Siedlungen über die Kaiserzeit bis ins Jetzt spannt, wird anlässlich des Jubiläumsjahres 2018 die Schwerpunktschau "Die umkämpfte Republik – Österreich 1918–1938" bis 24. März 2019 gezeigt. Zu Beginn des Rundgangs der Dauerausstellung können sich Besucher durch die Chronologie des Landes durchzappen, bevor sich in der Shedhalle das größte Objekt – ein zehn Meter hoher Wachturm aus der Zeit des Eisernes Vorhanges – über zwei Etagen erstreckt. Gleich daneben erzählt ein an der Decke befestigter Hängegleiter die Geschichte des Tschechen Jiri Rada, der mit dem Fluggerät 1988 nach Niederösterreich flüchtete.

Foto: APA/ROLAND SCHLAGER

Thematische Gliederung

Die Dauerausstellung ist nicht chronologisch, sondern nach Themen gegliedert. Wichtige Fragen werden in elf Clustern behandelt – etwa, wie technische Erfindungen in den letzten Jahrhunderten die Gesellschaft verändert haben und warum das Ein- und Auswandern kein Phänomen der Gegenwart ist. So steht etwa ein Kinderwagen vom "Brünner Todesmarsch" 1945 neben einem, den syrische Flüchtlinge 2015 im burgenländischen Nickelsdorf bei sich hatten.

Mit Figuren und interaktiven Stationen können Besucher im Bereich zum Thema Macht die Bedeutung der Stände nachvollziehen. Zu sehen sind auch der Bonjour-Rock von Kaiser Franz Joseph I. und ein Picknickset von Kronprinz Rudolph, die aus der vom Land angekauften Habsburg-Sammlung des Gastronomen Mario Plachutta stammen.

Foto: APA/ROLAND SCHLAGER

Ebenfalls ausgestellt wird das Modell eines Kinder-Klappsarges – derartige wiederverwendbare Särge wurden unter Kaiser Joseph II. jedoch aufgrund von Protesten nur kurze Zeit eingesetzt. Das Thema "Im Gleichschritt – ausgelöscht" widmet sich dem Nationalsozialismus. Ein Schachbrett aus dem Besitz von Karl Renner (1870–1950) steht beispielsweise für den Hausarrest des sozialdemokratischen Politikers in Gloggnitz.

Wiener Neustädter Schatz und Luther-Bibel

Unter dem Motto "Geschichtsforschung am Puls der Zeit" sind u.a. auch vor kurzem entdeckte Objekte wie der Wiener Neustädter Schatz aus dem 13./14. Jahrhundert oder eine Luther-Bibel aus 1545 Teil der Ausstellung. Vier Foren geben Besuchern Raum für Diskussion und sollen zum Nachdenken anregen – darunter ein "Parlament" mit Videoaufnahmen aus dem Hohen Haus samt Rednerpult und Wahlkabinen.

Die meisten Exponate stammen aus den Landessammlungen Niederösterreich, dazu kommen Objekte von regionalen, lokalen, nationalen und internationalen Leihgebern. Für die Schwerpunktausstellung wurde eine eigene Sammelaktion ins Leben gerufen. Zu sehen ist nun etwa ein Puppenofen aus Privatbesitz, mit dem in der Zwischenkriegszeit Tee gekocht wurde. Damit werden neben der politischen Lage auch die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse anschaulich dargestellt. Gezeigt wird auch – als Teil einer Installation mit Zitaten – das umstrittene Porträt von Engelbert Dollfuß aus dem Parlamentsklub der Volkspartei, das als Leihgabe nach St. Pölten übersiedelt ist.

Foto: APA/ROLAND SCHLAGER

Am Ende eine brennende Synagoge

Mithilfe von Objekten wie einem Gewehr, das bei den "Schüssen von Schattendorf" 1927 im Burgenland zum Einsatz kam, werden Konflikte und die Radikalisierung nachgezeichnet. Den Schlusspunkt der Schwerpunktausstellung bilden Videoaufnahmen von der brennenden Synagoge 1938 in St. Pölten.

Das Museum im Regierungsviertel der Landeshauptstadt beherbergte zuvor einen Kunstbereich, der in die in Bau befindliche Landesgalerie Niederösterreich in Krems übersiedelt. Die konzeptionelle Arbeit des Fachbeirats für das Haus der Geschichte unter dem wissenschaftlichen Leiter Stefan Karner begann 2014. Im Vorjahr wurde das Landesmuseum in Museum Niederösterreich umbenannt, seit August 2016 wurde das von Architekt Hans Hollein geplante Gebäude umgestaltet und ist nun barrierefrei. Weiterhin besucht werden kann auch das Haus der Natur im Museum Niederösterreich, der Eintritt ist im Ticketpreis inkludiert.

Foto: APA/ROLAND SCHLAGER

Das Haus der Geschichte wurde laut Geschäftsführer Matthias Pacher unter Einhaltung des Zeit- und Kostenplans realisiert. "Wir sind uns sicher, dass das neue Museum in Österreichs Museumslandschaft einen innovativen und zukunftsweisenden Akzent setzt, was die Vermittlung von Geschichte betrifft", erklärte er. Man freue sich auf das Feedback der ersten Besucher, "denn letztendlich werden sie es sein, die uns zeigen, ob unser Projekt aufgegangen ist". (APA, 8.9.2017)