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Juan Martin del Potro ist der sentimentale Favorit der US Open im Tennis.

Foto: Reuters/Stapleton

Dass den US Open im Tennis in diesem Jahr ein sentimentalerer Favorit als Roger Federer erwachsen könnte, war nicht abzusehen gewesen. Just gegen Federer hat sich aber Juan Martin del Potro endgültig in diese Rolle gespielt. Der 28-jährige Argentinier hat dem populären Schweizer den Weg zum 20. Titel bei einem Grand-Slam-Turnier verbaut, aber übel nimmt ihm das keiner. Ungeteilt ist die Freude, dass der "Turm von Tandil" nicht länger wankt.

Schon am vergangenen Montag, im Spiel gegen Dominic Thiem, hatte der 1,98 Meter hohe Mann aus der 360 Kilometer südwestlich von Buenos Aires gelegenen Universitätsstadt Tandil eine Kurzfassung seiner Karriere erzählt. Delpo, durch eine Verkühlung geschwächt, lag 0:2 in Sätzen zurück, schien am Ende, gab aber nicht auf und nützte die Chancen zum Sieg, die Österreichs Hoffnung ihm generös einräumte.

Der Sohn einer Lehrerin und eines als Tierarzt wirkenden Ex-Rugbyspielers fiel frühzeitig durch Sportlichkeit auf, sein Tennistalent förderte der italienische Ex-Profi und Sportlerberater Ugo Colombini, dem del Potro bis heute freundschaftlich verbunden ist. Im Juli 2008, mit 19 Jahren, gewann der Rechtshänder in Stuttgart den ersten seiner bis dato 19 Einzeltitel. Spätestens nach dem Sieg bei den US Open 2009 im Endspiel gegen Federer, der davor fünfmal en suite in New York triumphiert hatte, galt del Potro als kommende Nummer eins. Er beendete das Jahr als bis dahin jüngster Spieler in den Top Ten.

In der Folge hielt aber del Potros rechtes Handgelenk dem Druck seiner mächtigen Schläge nicht stand. Mehrere Operationen und lange Spielpausen sollten folgen. Dazu gesellten sich psychische Probleme, da der Volksheld der Erwartungshaltung des argentinischen Publikums nicht mehr gerecht werden konnte. "Ich hatte traurige, dunkle Tage", sagt del Potro, der im Ranking bis auf Platz 1.045 zurückfiel.

Erst 2016 gelang ein Comeback, das vorerst in Rio de Janeiro in Olympia-Silber gipfelte, obwohl del Potros einst gefürchtete beidhändige Rückhand wegen seiner Verletzungsprobleme heute keine Waffe mehr ist. Dennoch ist nicht ausgeschlossen, dass der mit einem argentinischen Model Liierte am Freitag seinem Gott mit gewohnt großer Geste für einen Sieg über den spanischen Weltranglistenersten Rafael Nadal und den Einzug ins US-Open-Finale danken kann. "Er hat sich die Chance verdient" , sagte Federer ganz unsentimental. (Sigi Lützow, 8.9.2017)