Die neue App von Ariana Huffington soll eine "Firewall" zwischen Menschen und E-Mails bilden – berufliche Nachrichten im Urlaub sollen somit nicht durchdringen.

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Auf dem Weg zum Strand oder kurz vor dem Abendessen noch schnell die beruflichen E-Mails checken – viele kennen das Problem, im Urlaub nur schwer abschalten zu können. In einer Umfrage des Beratungsunternehmens Randstad Austria geben 47 Prozent der Befragten an, auch außerhalb der Bürozeiten unmittelbar auf Anrufe und E-Mails zu antworten.

Mauer für E-Mails

Abhilfe schaffen will Arianna Huffington, Gründerin der Onlinezeitung "Huffington Post" – und zwar mit einer App namens "Thrive Away". Deren wichtigste Funktion: Sie löscht ganz einfach eintreffende E-Mails. Der Absender erhält eine Art Abwesenheitsnotiz, in der er informiert wird, wann der Empfänger wieder zurück im Büro ist. "Wenn es wichtig ist, wird er das E-Mail nochmals senden, wenn nicht, wird es Sie nicht belästigen, wenn Sie zurückkommen – oder noch schlimmer: Sie werden es nicht im Urlaub lesen müssen", schreibt Huffington in einem Beitrag für die "Harvard Business Review".

Das Tool schaffe "eine Art Mauer zwischen Ihnen und Ihren E-Mails, es befreit Sie von der ständigen Angst, eine Flut an E-Mails vorzufinden, wenn Sie zurückkommen", sagt Huffington über den Nutzen der App.

Tatsächlich hat die Psychologie ein Phänomen nachgewiesen, das in der Fachsprache als "Fear of missing out" bezeichnet wird – die Angst, etwas zu verpassen. Im digitalen Zeitalter steige sie durch die ständige Informationsflut, die ständige potenzielle Möglichkeit, sich zu informieren und mit anderen auszutauschen.

Zur Erreichbarkeit verpflichten?

Dass Arbeitnehmer im Urlaub erreichbar sind, wird übrigens laut Randstad-Umfrage häufig auch vorausgesetzt. Demnach erwarten 45 Prozent der Arbeitgeber eine Verfügbarkeit ihrer Mitarbeiter außerhalb der regulären Arbeitszeiten. Aber was sagt das Arbeitsrecht dazu? Kann man vom Chef dazu verpflichtet werden, im Urlaub E-Mails zu beantworten?

"Eine Verpflichtung zur Beantwortung betrieblicher E-Mails besteht grundsätzlich nicht", sagt Arbeitsrechtsexperte Erwin Fuchs. Ausnahme: Wenn der Dienstnehmer in ein Projekt involviert ist und über spezielle, exklusive Informationen verfüge, können gewisse, kurz dauernde Leistungen oder kleine Koordinationsaufgaben auch im Urlaub verlangt werden.

"Dies vor allem dann, wenn vielleicht vor dem Urlaub sogar besprochen wurde, dass es betrieblich gerade sehr ungünstig wäre, wenn der Arbeitnehmer den Urlaub konsumiert", sagt Fuchs. "Derlei Fälle werden aber nur Ausnahmen sein. Schließlich hat jeder Arbeitnehmer einen Urlaubs- und Erholungsanspruch, auch der leitende Angestellte oder die Geschäftsführerin."

Mit Vorgesetzten abklären

Die Idee, durch ein Tool zum Abschalten gezwungen zu werden, ist freilich nicht neu. Applikationen wie beispielsweise "Timeout" blockieren einzelne Anwendungen am Smartphone. Das automatische Löschen von E-Mails ist bei vielen E-Mail-Programmen auch ohne App möglich. Und schließlich bleibt auch noch die Möglichkeit, das Smartphone im Urlaub einfach auszuschalten.

"Wichtig ist in diesem Zusammenhang die Erwartungshaltung der Kollegen, der Urlaubsvertretung – falls es eine gibt – und vor allem des Vorgesetzten bzw. der Kunden und Geschäftspartner", sagt Fuchs. "Je nach Funktion im Unternehmen wird für Notfälle zumindest eine Kontaktaufnahme via SMS oder Telefonanruf womöglich angemessen oder entsprechend sein. Jedenfalls sollte eine Absprache vorab im Team stattfinden."

Arbeit und Erholung nicht immer ein Gegensatz

Einige Arbeitspsychologen weisen hingegen darauf hin, dass es für die eigene Erholung nicht zwingend notwendig ist, sämtliche Arbeitsaufgaben aus dem Urlaub zu verbannen. Manche Menschen stresst dieser Gedanken wesentlich mehr als die Vorstellung, beim morgendlichen Kaffee die Arbeits-Mails checken zu können. Die niederländische Arbeitspsychologin Jessica de Bloom fand diesbezüglich heraus, dass es per se nicht schlecht ist, im Urlaub zu arbeiten. Wichtig sei dabei allerdings, dass man sich selbst dazu entschließt und über Zeitpunkt und Dauer entscheiden kann.

Einerseits kommen einige Untersuchungen zu dem Schluss, dass die Möglichkeit, sich mental vom Arbeitstrott zu distanzieren, essenziell für das eigene Wohlbefinden ist. Andererseits ist aber auch selbstbestimmtes Handeln – etwa abends noch ein paar E-Mails zu schreiben, weil das neben dem TV-Zapping ohnehin gut geht – ein wichtiger Faktor dafür. Eine Mauer gegen E-Mails muss also nicht für jeden die beste Lösung sein. (lib, lhag, 12.9.2017)