FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache will nach derzeitigem Stand mit der SPÖ nach der Wahl keine Koalitionsgespräche führen. Kanzler Christian Kern hatte angekündigt, den SPÖ-Parteitagsbeschluss, der eine Zusammenarbeit mit der FPÖ ausschließt, durch eine Urabstimmung über einen Koalitionspakt zu entkräften. "Das ist für uns ausgeschlossen. Ohne vorangehende Urabstimmung keine Verhandlungen mit uns", sagt der FPÖ-Obmann im STANDARD-Sommergespräch.

STANDARD: Beginnen wir mit einer Gemeinsamkeit: Sie haben ja beide auf jeweils unterschiedliche, aber vielbeachtete Weise österreichischen Rap interpretiert ...

Strache: Da sind wir wohl auch beide sehr mutig und speziell in der Herangehensweise. (lacht)

Plöchl: Also wenn wir mal Inhaltliches außen vor lassen, muss ich sagen, das Handwerk des Politikers beherrschen Sie doch wesentlich besser. Raptechnisch könnten Sie ein bisschen an Ihrem Timing arbeiten.

Strache: Da kann ich noch einiges lernen, auch gesanglich. Die Raps waren ein erfolgreiches Instrument, kritische Inhalte anders zu vermitteln und sie haben ja vor allem auch eine sehr lustige Seite. In diesem Wahlkampf wird es aber keinen geben.

Der Rapper Lukas Plöchl war schon einmal auf einer Wahlveranstaltung von Heinz-Christian Strache. Während des Standard-Sommergesprächs zeigt er dem Parteichef der Blauen, wie er FPÖ-Fans damals beim "HC, HC"-Schreien wahrgenommen hat.
Foto: Matthias Cremer

STANDARD: Herr Plöchl, Sie wurden bekannt mit Mundart-Rap und Lederhose, haben aber auch einen Migrationshintergrund. Was bedeutet denn Heimat für Sie?

Plöchl: Das ist eine ewige Suche, glaub ich. Mein Vater kommt aus China, meine Mutter aus Österreich. Ich bin in Freistadt aufgewachsen, da waren ich und mein Vater die zwei ersten Asiaten. Ich hab mich mit vielen Vorurteilen auseinandersetzen müssen. Der Reisfresser war ich, ein Schlitzauge, so war das am Land. Dann hab ich angefangen, meine chinesischen Wurzeln zu leugnen, um dem aus dem Weg zu gehen. Als Jugendlicher hat mir dann mal einer gesagt, ich gehöre vergast. Da wollte ich auch kein Österreicher mehr sein. Es war mein chinesischer Vater, der mir Heimatliebe für beide Länder wieder näher brachte.

STANDARD: Der FPÖ wird vorgeworfen, dass sie Ressentiments schürt. Können Sie das verstehen?

Strache: Man darf nicht pauschalisieren. Man darf sich von einzelnen, saublöden Bemerkungen auch nicht abbringen lassen. Solches Denken entspricht ja nicht dem Querschnitt der österreichischen Bevölkerung. Heimat ist ein sehr breiter Begriff, den jeder für ich definieren muss. Ich begreife Heimat eher traditionell. Heimat als das, wo du geboren wurdest und wo die Familie seit Generationen herstammt. Das steht auch mit Sprache, Kultur, Brauchtum und all dem in Verbindung.

Plöchl: Aber was wär dann die Heimat bei mir?

Strache: Na, du hast das eh richtig gesagt, du hast die Heimat für dich hier, aber du hast auch ein Heimatgefühl für China. Er hat halt diese zwei Heimaten, das ist ja nichts Negatives.

DER STANDARD

Plöchl: Ich habe das "Privileg", aus China zu kommen, ich kenne aber viele Leute aus der Türkei oder von irgendwo, die als Gastarbeiter gekommen sind, damals war Integration einfach kein Thema. Und jetzt heißt es: Integrier dich. Auch mein Vater bewegt sich bis heute sehr gern in chinesischen Kreisen, weil man da halt unter sich ist und wieder mal Chinesisch sprechen kann.

Strache: Mit der chinesischen Community gibt es aber interessanterweise keine Integrationsprobleme, die man wahrnehmen könnte.

Plöchl: Ab wann ist das denn ein Problem?

Strache: Na, es gibt keine chinesischen Parallel- oder Gegengesellschaften, es gibt in den Statistiken, wenn es um Gewaltdelikte geht, keine Auffälligkeit.

Der österreichischer Rapper Lukas Plöchl war Teil des Hip-Hop-Duos Trackshittaz und tritt heute unter seinem zweiten Vornamen Wendja auf.
Foto: Matthias Cremer

STANDARD: Sie differenzieren zwischen "guten" und "schlechten" Migranten. Was muss ein Mensch konkret mitbringen, dass auch Sie ihn willkommen heißen?

Strache: Da gibt es die Erwartungshaltung, dass man sagt, der hat eine entsprechende Ausbildung, der kann einen Beitrag in der Gesellschaft leisten. Das macht ja auch Sinn, dass man Menschen, die eine Qualifikation mitbringen oder vielleicht sogar Kapital mitbringen, aufnimmt. Wenn es um Integration geht, muss man sagen, es gibt da eine Kultur, die respektiert werden muss.

Plöchl: Ich weiß noch, ich war 2006 bei einer Wahlkampfveranstaltung von Ihnen in Freistadt, weil ich mir das geben wollte, weil ich verstehen wollte, was die Leute, die mir grausliche Dinge an den Kopf werfen, an Ihnen so toll finden. Ich wär mit meinen langen Haaren und meinen Baggypants erst einmal schon fast nicht reingekommen.

Strache: Also wir haben immer wieder auch solche Gäste. Es kommen auch Punker. Da kann man gar nicht mehr nach optischem Erscheinungsbild gehen.

Plöchl: Man muss ja der FPÖ nicht nahe stehen, um sich das mal anschauen zu wollen. Ich bin auch nicht hin, um Sie dann zu wählen. Man muss schon sagen, die Stimmung damals, da war grad "Daham statt Islam" und diese Sprüche von Ihnen, das war arg. Ich bin ja der Chinese und dadurch in dem Fall nicht direkt betroffen, aber kann mich da schon reinversetzen, Sie hätten ja genauso "Butter statt Buddha" plakatieren können. So was trifft einen.

Strache: Wir haben klare Positionen, wenn es um den Bereich Zuwanderung und Integration geht. Es gibt viele Menschen, die hier hergekommen sind und dankbar sind, dass sie hier leben dürfen. Und dann gibt es andere Beispiele. Die fühlen sich vielleicht vom Sozialsystem und der Mindestsicherung angezogen und erwarten sich Vorteile finanzieller Art und haben gar keinen Willen, sich zu integrieren. Da sagen wir politisch, wir wollen keine Islamisierung Österreichs.

Plöchl: Ich hab einfach schlechte Erfahrungen gemacht. Und Ihre Politik hat dazu beigetragen, dass sich das Klima verändert hat.

Strache: Ich verstehe schon, dass die Überspitzung einzelner Themen zu Missverständnissen führen kann. Aber als Politiker musst du provozieren, wenn du überhaupt ins Gespräch kommen willst. Natürlich muss man sich überlegen, wie man Themen in einem Wahlkampf zuspitzen kann, damit es eine Debatte gibt. Da kommt dann leider manchmal die Differenzierung zu kurz.

DER STANDARD

STANDARD: Und jetzt treten Sie gemäßigter auf, weil die FPÖ ohnehin als eine der drei großen Parteien wahrgenommen wird und ausreichend Aufmerksamkeit bekommt?

Strache: Natürlich werden wir jetzt stärker gehört als früher. Als ich die Partei übernommen habe, ging es um den politischen Überlebenskampf. Heute haben wir eine ganz andere Breite.

Plöchl: Politisch ist das ja auch alles schlau, was Sie machen. Es tut nur weh.

Strache: Wenn das so war, tut mir das leid. Da war keine Absicht dahinter.

Plöchl: Und ich war einer davon, denen das wehgetan hat. Deswegen werde ich auch in meinem ganzen Leben nicht die FPÖ wählen. Den Preis, dass Sie damals die Aufmerksamkeit bekommen haben, den zahlen andere.

Strache: Dieses "Daham statt Islam" zum Beispiel, das ist natürlich eine Verkürzung, aber wir haben halt leider schon auch recht behalten. Man hätte es damals nur konkreter formulieren müssen. Man hätte es als Islamismus bezeichnen müssen.

STANDARD: Da besteht halt schon ein entscheidender Unterschied. Das eine ist eine Religion, das andere eine radikale Strömung.

Strache: Der Punkt ist ja der, dass die, die den politischen Islam vorantreiben, das schon als politischen Islam definieren und nicht als Islamismus. Diese fehlende Trennung zwischen Religion, Politik, Rechtssystem, Gesellschaftssystem, das ist das Problem.

STANDARD: Sie berufen sich also darauf, dass Islamisten für sich selbst nicht das richtige Wording verwenden?

Strache: Nein, aber der politische Islam ist Realität, das lässt sich nicht abstreiten.

Plöchl: Früher bin ich als Chinese, als "Ausländer" auch in Ihr Schema gefallen. Mittlerweile nicht mehr so. Jetzt ist es halt nur noch der Islam, der Islam, der Islam.

Strache: Ich glaube, es braucht da mehr Aufklärung, auch innerhalb der islamischen Glaubensgemeinschaft. Ich bin froh, dass wir uns heute nicht mehr im Mittelalter des Christentums befinden und uns weiterentwickelt haben. Das muss halt auch dort passieren.

Plöchl: Haben Sie eigentlich muslimische Freunde, mit denen Sie auch mal über den normal gelebten Islam sprechen können?

Strache: Einige. Die kommen hilfesuchend zu mir und sagen: Bitte helft uns, wir wollen keine Radikalisierung. Die sagen, dass sie bedroht werden, weil sie ihre Kinder nicht in die Moschee schicken und den Mädchen kein Kopftuch aufsetzen.

Plöchl: Aber gerade diese Kopftuchdebatte, Sie kämpfen doch gegen die Falschen. Und für Ihre muslimischen Freunde und auch für meine, für die breite Masse, die hier friedlich leben will, wird es gerade eng. Radikale Fanatiker will eh keiner. Aber der Druck auf die, die einfach nur ganz normal ihren Glauben leben wollen, der wird immer größer.

DER STANDARD

STANDARD: Herr Strache, Sie könnten bald Teil einer Regierung sein. Würden Sie sagen, dass Sie Ihr Auftreten verändert haben durch die neue Rolle, die Sie anvisieren?

Strache: Ich bin mit 35 Jahren Parteichef geworden, jetzt bin ich 48. Ich glaube, dass sich jeder in seinem Leben ändert und reifer wird. Ich bin gelassener geworden.

STANDARD: In der SPÖ gibt es trotz der Zusage, dass Kanzler Christian Kern die FPÖ nicht mehr kategorisch als Koalitionspartner ausschließt, einen aufrechten Parteitagsbeschluss, der eine Regierungszusammenarbeit mit der FPÖ untersagt. Werden Sie nach der Wahl mit ihm verhandeln?

Strache: Solange der Bundesparteitagsbeschluss aufrecht ist, kann man nicht in Verhandlungen treten. Die Sozialdemokratie hatte Angst, das vor der Wahl zu klären. Jetzt muss die SPÖ das nach der Wahl rasch klären.

STANDARD: Aber Kern will ja eigentlich über einen fertigen Regierungspakt abstimmen lassen.

Strache: Das ist für uns ausgeschlossen. Wenn er da nicht seinen Kurs ändert, stehen wir für Koalitionsgespräche mit der SPÖ nicht zur Verfügung. Ohne vorangehende Urabstimmung keine Verhandlungen mit uns!

STANDARD: Zurück zum Einstiegsthema: Herr Plöchl, würden Sie sagen, dass Ihre Kunst polarisiert?

Plöchl: Ich sage, was ich mir denke, und versuche, manches auf den Punkt zu bringen. Wenn man das "polarisieren" nennen möchte, warum nicht.

STANDARD: Soll auch polarisierende Kunst subventioniert werden?

Strache: Die Freiheit der Kunst ist etwas ganz Wesentliches, und da hat jeder die Freiheit, jede Kunst kaufen zu können. Wir fordern etwa die steuerliche Absetzbarkeit für den Kauf von Kunst, denn das würde Künstler fördern. Aber wenn es um Steuergeld geht, dann kann es nicht sein, dass die Steuerzahler mit Zwang etwas unterstützen müssen.

STANDARD: Gar keine Kunst? Auch keine Oper?

Strache: Die rentiert sich ja über den Kartenverkauf. (Videos: Maria von Usslar, Gespräch: Katharina Mittelstaedt, 9.9.2017)