In Norwegen soll es nicht zu "schwedischen Zuständen" mit No-go-Zonen kommen, "wo die Polizei mit Steinen und anderem angegriffen wird und oft Angst hat, sich diesen Gebieten zu nähern", fordert Norwegens Integrationsministerin Sylvi Listhaug von der rechtspopulistischen Fortschrittspartei.

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Oslo/Stockholm – "Ich möchte aus den Fehlern lernen, die Schweden gemacht hat": So begründete Norwegens Integrationsministerin Sylvi Listhaug von der Fortschrittspartei kürzlich ihren Besuch in dem für hohe Kriminalitätsraten bekannten Stockholmer Migrantenvorort Rinkeby.

Weder daheim noch im Nachbarland nahm man ihr freilich den ehrlichen Lernwillen ab. Selbst in Norwegen mit seiner traditionell restriktiven Asylpolitik sorgt Listhaug mit unversöhnlicher Rhetorik gegenüber Asylsuchenden und Migranten regelmäßig für Empörung. Vor allem ihretwegen weigern sich die Christdemokraten, die Unterstützung für Ministerpräsidentin Erna Solberg fortzusetzen, wenn die rechtspopulistische Fortschrittspartei in der Koalition bleibt. Neben Widerspruch erntet die kontroverse Ministerin aber immer wieder auch Beifall – und zwar bei weitem nicht nur aus der eigenen Partei, als deren Wahlmagnet sie gilt. Die Verlagerung des Wahlkampfs ins Nachbarland war denn auch mit Bedacht gewählt.

Ängste geschürt

Im Blitzlichtgewitter der schwedischen und norwegischen Presse gab Listhaug in Rinkeby der Entschlossenheit Ausdruck, es in Norwegen nicht zu "schwedischen Zuständen" mit No-go-Zonen kommen zu lassen, "wo die Polizei mit Steinen und anderem angegriffen wird und oft Angst hat, sich diesen Gebieten zu nähern".

Die "schwedischen Zustände" sind den Norwegern als Inbegriff des abschreckenden Beispiels seit langem geläufig. Anfang der 1990er-Jahre im Zuge der Balkan-Flüchtlingskrise geprägt, bezieht sich das Schlagwort vor allem auf negative Folgen einer freizügigen Asylpolitik. Die wachsenden Probleme in einer Reihe vorwiegend von Migranten bewohnter Gebiete in Schweden geben der Kritik zusätzliche Brisanz. So gibt es zwar offiziell keine schwedischen No-go-Zonen, dafür laut Einschätzung der Polizei aber landesweit mehr als 60 Gebiete, in denen der Rechtsstaat um sein Bestehen kämpft.

Aufmerksamkeit erhalten

Offenbar hat die Ministerin mit ihrem Auftritt in Rinkeby die gewünschte Aufmerksamkeit daheim auf sich gezogen. Blitzschnell verbreitete sich in Norwegen die Nachricht von der Empörung im stets auf positive Außenwirkung bedachten Schweden und von entsprechenden "Strafmaßnahmen". So sagte Listhaugs schwedische Amtskollegin Hélene Fritzon ein geplantes Treffen ab.

Der sozialdemokratische Spitzenkandidat Jonas Gahr Støre warf Listhaug in einer Fernsehdebatte Verlogenheit vor. Sie wolle "nicht lernen, sondern Gräuelpropaganda betreiben". Als Schreckensbild hatte Schweden schon vor der Parlamentswahl 2013 herhalten müssen. Damals warnten Politiker vor der Entvölkerung ländlicher Gebiete, die damalige Oppositionsführerin Erna Solberg versprach, eine "Schulpolitik ohne klare Richtlinien, so wie in Schweden", werde es mit ihr nicht geben. Nun hat die Regierungschefin den Auftritt ihrer Ministerin verteidigt. Ohne den Blick auf "schwedische Zustände" scheint der Wahlkampf in Norwegen nicht komplett. (Anne Rentzsch, 11.9.2017)