Wien – Saisonbeginn im Musikverein: Manche im Publikum sind stolz, fast nahtlos von den Salzburger Festspielen in den Goldenen Saal gewechselt zu sein, manche wirken ausgehungert und begeisterungsselig, noch ehe der erste Ton erklingt.

"Meisterinterpreten" waren (laut Abozyklus-Titel) angekündigt, Prominenz wurde jedenfalls geboten. Am ersten von zwei Abenden bot Christian Thielemann mit seiner Sächsischen Staatskapelle Dresden all das, was man von ihm gewohnt ist: zackige, große Gesten mit entsprechendem Klangresultat. Der Staatskapellmeister bleibt sich selbst ebenso treu wie seinem Repertoire, fast ausschließlich "deutsche" (also mitunter auch "österreichische") Romantik, und entsprechend ist sein Dirigierstil auch stets grundiert.

Bei Bruckners 1. Symphonie führte das zu einem effektsicheren und straffen Ergebnis, zu dem der satte und dennoch samtige Sound der Dresdner Entscheidenes beisteuerte: planvoll, ausgewogen, auftrumpfend, im Zweifelsfall wuchtig.

Es ist kaum übertrieben zu sagen, dass Wiener Klassik bei Tielemann im Grunde ebenso klingt wie Bruckner oder Richard Strauss. Sein romantisierender Zugang ist auch hier ungebrochen, und obgleich er Schlankheit in der Tongebung zulässt und sich dadurch Transparenz einstellen kann, gleicht sein Beethoven eher Klangmalerei als sprechendem Ausdruck der Empfindung. Das war auch beim 1. Klavierkonzert der Fall, das von Seiten des Orchesters in den Ecksätzen stramm und martialisch daherkam und ebenso gleichförmig war wie das Largo, das trotz schöner Farben schwerfällig blieb. Solist Rudolf Buchbinder hielt sich da in einer anderen Welt auf, auch wenn die Gleichmäßigkeit seiner Läufe noch einen gemeinsamen Nenner beschreiben könnte. Seine charmanten Übergänge, seine routinierte Spontaneität fand allerdings keine partnerschaftliche Antwort – eher wurde mit Elan aneinander vorbeimusiziert. (Daniel Ender, 10.9.2017)