Wien – Zehn an die Küchenwand gepinnte Gebote für einen gelungenen Raub rufen sich die Logan-Brüder in Erinnerung, bevor sie in Logan Lucky darangehen, die "Geldautobahn" unter einer Autorennstrecke zu knacken. Gleich zwei der Leitsätze heißen einfach "Shit happens". Der letzte erinnert daran, rechtzeitig ans Aufhören zu denken.

Spielfilm-Comeback

Vier Jahre ist es her, dass sich US-Regisseur Steven Soderbergh (Sex, Lügen und Video) eigentlich aus dem Kinofilmbetrieb verabschiedet hat, um sich der Arbeit fürs Fernsehen und der Malerei zu widmen. Nun meldet er sich mit einer unabhängig produzierten, ohne Beteiligung großer Filmstudios entstandenen Komödie um einen aberwitzigen Raub zurück.

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Haben es in "Logan Lucky" auf die "Geldautobahn" unter einer Rennstrecke abgesehen: Adam Driver (li.) und Channing Tatum.
Foto: AP

Dass er sich auf gefinkelte Einbruchsszenarien versteht, hat Soderbergh mehrfach – u. a. mit Ocean's Eleven und den Folgefilmen – vorgeführt. Mit Logan Lucky taucht er allerdings in ein ganz anderes Milieu, in eine Blue-Collar-Welt der Country-Music- und Autonarren, der Bierkneipen und Friseursalons ein.

Jimmy Logan (Channing Tatum) hat wegen seines Hinkebeins soeben den Job als Bauarbeiter am Charlotte Motor Speedway verloren. Zu allem Überfluss eröffnet ihm seine mit einem neureichen Autohändler verheiratete Exfrau (Katie Holmes), mit der gemeinsamen Tochter wegziehen zu wollen.

Mit seinem Bruder Clyde (Adam Driver), einem einarmigen Irakkrieg-Veteranen und Barkeeper, beschließt er, das für den Geldtransport genutzte Rohrpostsystem des Speedway anzuzapfen. Für die notwendige Expertise wird der inhaftierte Tresorspezialist Joe Bang – James-Bond-Darsteller Daniel Craig im breit gestreiften Panzerknackerkostüm und seiner wohl bisher komischsten Rolle – rekrutiert.

Bleecker Street

Für das Nascar-Autorennen im Hintergrund, in den USA der zweitbeliebteste Zuschauersport nach Football, interessiert sich Soderbergh nur wenig. Stattdessen gibt es etwa einen kuriosen Exkurs, nach dem man Gummibärchen und Bleichmittel ob ihrer potenziellen Sprengkraft für immer mit anderen Augen sieht.

Country Roads

Soderbergh nimmt aber vor allem seine Figuren, ihre Sehnsüchte und Vorlieben ernst, denunziert sie trotz überbordender Lust am Komischen nie als White Trash. Wo der filmische Blick der Coen-Brüder auf die Provinz immer wieder ins Karikaturhafte abgleitet, behalten die Menschen bei Soderbergh, der selbst in Virginia, Louisiana und Georgia aufgewachsen ist, meist ihre Bodenhaftung.

Nirgendwo wird das deutlicher als bei einem tatsächlich berührenden Auftritt mit John Denvers an den Lagefeuern der Welt zu Tode gespieltem Take Me Home, Country Roads. Ausgerechnet bei einem auf den ersten Blick ziemlich unheimlichen Kinderschönheitswettbewerb wird das Gefühl hinter der bloßen Sentimentalität ausgepackt.

Die Geschichte des Songs, bei der glückliche Zufälle eine wichtige Rolle spielen, bekommt die Wettbewerbsteilnehmerin gleich zu Beginn des Films von ihrem Vater erzählt, während sie ihm beim Basteln am Auto routiniert das Werkzeug reicht. Die Genauigkeit und Sinnlichkeit, mit der Soderbergh das in Szene setzt, bestimmt den ganzen Film ebenso wie die offensichtliche Spielfreude aller Beteiligten. Zur visuellen Raffinesse gesellt sich ein formidabler, tief in Americana getränkter Soundtrack. Am Ende steht ein gelungener visueller Cliffhanger.

Soderbergh hat seine Crew und die Schauspieler übrigens an der Hälfte der Einspielergebnisse von Logan Lucky beteiligt. Für die Zuschauer stellt sein lustvolles Kinofilm-Comeback in jedem Fall schon jetzt einen Gewinn dar. (Karl Gedlicka, 12.9.2017)