Die frauenpolitischen Ansagen blieben im Wahlkampf bisher überaus freundlich und zahm. Das Erntedankfest der österreichischen Jungbauernschaft nutzte auch die ÖVP für ihren Wahlkampf.

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In der Aufwärmphase des Wahlkampfes im Sommer durften frauenpolitische Themen, wenn überhaupt, nur in einem sehr lockeren Stil aufs Tapet. Die Parteien mit deutlicheren feministischen Positionen wie die SPÖ oder die Grünen blieben bisher mehr als handzahm. Dabei wäre genau jetzt der Zeitpunkt, die Fragen nach möglichen Mehrheiten im Parlament und Machbarkeit bei Seite zu schieben und Profil zu zeigen. Doch bis jetzt gibt es keine neuen, und schon gar keine mutigen frauenpolitischen Ansagen. Stattdessen bleibt Frauenpolitik ein launiger Nebenschauplatz.

Unterstelltes Desinteressen an Inhalten

Schon eines der ersten ORF-Sommergespräche war dafür symptomatisch. Moderator Tarek Leitner lenkte mit der Grünen Bundessprecherin Ingrid Felipe die Gleichberechtigsfrage in medial beliebte Bahnen: Gender in der Sprache. Felipe führte mit einem entspannten Lächeln einige Gründe an, warum geschlechtergerechte Sprache nicht ganz blöd ist. An diesen Erklärungen inklusive Stil ist nichts auszusetzen, ein Problem wird es allerdings, wenn mit als launig verkaufte Themen das Ganze schon wieder beendet ist und man so auch noch Rückenwind für das Argument produziert, dass es wohl Wichtigeres gäbe.

Gibt es, doch offenbar ist die vorrangige Sorge der Grünen, dass das im Wahlkampf niemanden interessiert. Dabei haben die Grünen erst im Frühjahr mit ihrem neuen Frauenbericht inhaltliche Kompetenz bewiesen, die sie jetzt aber ihren feministisch ambitionierten Wählerinnen und Wählern nicht zumuten wollen. Darin fand sich etwa die Idee, die Lohnschere über eine umfassende Reform der Kollektivverträge zu verkleinern, womit die Grünen dem ständigen SPÖ-Schlagwort "Lohntransparenz" aus der SPÖ schon einiges entgegensetzen.

Alte Errungenschaften

Denn auch die SPÖ sieht offenbar bei ihren Wählerinnen kein Interesse an ambitionierter feministischer Politik. Pamela Rendi-Wagner, Gesundheits- und Frauenministerin, verweist bisher lediglich auf bestehende Maßnahmen, für das Label "frauenpolitisch fortschrittlich" verlässt man sich auf alte Errungenschaften. Dabei wären diese schon lange renovierungsbedürftig. So wird etwa die Fristenlösung seit langem lediglich verteidigt, für eine Maßnahmen darüber hinaus gibt es offenbar keine Motivation. Zwar verweisen sowohl SPÖ als auch Grüne derzeit immer wieder gern auf die Anliegen des neuen Frauenvolksbegehrens, deren Inhalte wollen sie aber nicht in ihrer Deutlichkeit aussprechen: etwa wenn es um die Forderung eines kostenlosen Schwangerschaftsabbruches geht.

Das traute sich die frühere Parteichefin der Grünen, Eva Glawischnig, vor einigen Jahren durchaus noch sagen. Auch die 2014 verstorbene Präsidentin des Nationalrats und SPÖ-Politikerin Barbara Prammer lehnte sich deutlich weiter aus dem Fenster, als sie das löchrige Angebot von Schwangerschaftsabbrüchen in öffentlichen Spitälern in Österreich kritisierte. Fraglos ist das Thema reproduktive Gesundheit ein Wahlkampfthema mit Ecken und Kanten. Doch wenn man einzig den Gender Pay Gap, Vereinbarkeitsprobleme und geschlechtergerechte Sprache thematisiert, und nicht einmal neue Lösungsvorschläge parat hat oder Verschärfungen existierender Maßnahmen fordert, bleibt jegliche feministische Ambition unglaubwürdig. Schließlich wäre da der Kampf gegen Frauenarmut, Diskussionen über Quoten auf den verschiedensten Ebenen oder eben reproduktive Rechte. Doch von all dem ist keine oder kaum die Rede im Wahlkampf. Immerhin hat Rendi-Wagner aktuell beim Gewaltschutz eingehackt und Frauenberatungsstellen Hilfe im Umgang mit Gewalt im Netz in Aussicht gestellt.

Die Hemden bügelt immer noch sie

Dabei ist kluge Frauenpolitik angesichts der anderen Parteien ein gänzlich unbespieltes Feld. Bei der FPÖ sucht man Ideen auf der Höhe der Zeit vergeblich. Die ÖVP blamierte sich jüngst mit dem "Familienbonus", der laut Sebastian Kurz Alleinerzieherinnen nicht diskriminiere, weil sie diesen doch mit den Vätern der Kinder teilen könnten. Und einem 31-jährigen Parteichef, der in einem Interview mit der "Kronen Zeitung" freimütig erzählt, seine Freundin würde seine Hemden bügeln, will man auch nicht so recht gesellschaftspolitische Handlungsfähigkeit zutrauen. Die Neos befürchten indessen mit jeglichen gesetzlichen Maßnahmen gleich einen "Nanny State" oder sehen die unternehmerische Freiheit durch Frauenquoten in privaten Unternehmen gefährdet. Generell wollen die Neos in erster Linie durch Arbeitsmarktpartizipation das Problem der Diskriminierung lösen – was wohl bei weitem nicht reichen wird.

Kurze Irritation

Immerhin sorgte Neos-Chef Matthias Strolz für eine kleine Irritation der herrschenden Geschlechterverhältnisse, als er – ebenfalls in den "Sommergesprächen" im ORF – über seinen Weg in die Politik erzählte. Erst wenn die Kinder durchschlafen, sei der Zeitpunkt für die Politik gekommen, meinte er. Ein Politiker, den der fragile Nachtschlaf seiner Kinder etwas angeht? Immerhin. Doch auch im STANDARD-Interview interessierte Strolz in Sachen Gleichberechtigung lediglich Soziolinguistisches: "Ich habe drei Töchter, und ich habe nicht vor, eine Realität zu formen, in der die Frauen nicht vorkommen." Löblich, aber das reicht nicht. (Beate Hausbichler, 13.9.2017)