Wolfgang Kriegler, Vorstand der Plattform A3PS.

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Der Abgasskandal brachte den Dieselmotor ins Zwielicht – für Lkws gibt es noch keine brauchbare Alternative.

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STANDARD: Der Abgasskandal brachte Diesel-Pkws schwere Imageprobleme. Wie ist die Situation bei den Lkws?

Wolfgang Kriegler: Ich habe den Eindruck, dass man den Dieselmotor im Lkw zurzeit noch in Ruhe lässt, weil es noch keine echte Alternative gibt und man die Wirtschaft nicht schädigen will. Das hohe Drehmoment des Dieselmotors wird geschätzt, und vom Wirkungsgrad her ist er eine der besten Antriebsquellen. Das sogenannte SCR-Verfahren, das mithilfe von Harnstoff den Stickoxidausstoß reduziert, hat die Umweltverträglichkeit wesentlich verbessert – bei Pkws wird gefordert, dass die Technik anstelle der geplanten Software-Updates zum Einsatz kommt. Zudem bringt der Dieselmotor vergleichsweise niedrige CO2-Emissionen.

STANDARD: Wie sehen Umweltauflagen und Kontrolle im Vergleich zum Pkw aus?

Kriegler: Mit der Euro-VI-Abgasnorm hat man sowohl bei Pkws als auch bei Lkws sehr geringe Werte erreicht. Beim Lkw wird noch keine Typprüfung des Fahrzeugs verlangt, sondern nur die Zertifizierung des Motors in einem stationären und dynamischen Testzyklus. In Zukunft sollen die Tests aber umfassender werden und Abweichungen bei den Emissionen nur in einem geringen Maß erlauben – ein Schummeln wird dadurch schwieriger.

STANDARD: Woher rührt das schlechte Image der Lkws?

Kriegler: Aus der Zeit, als Dieselmotoren noch sichtbare Rußpartikel emittierten. Wenn man früher auf einer Bergstrecke hinter einem Lkw fuhr, war man in einer Rußwolke. Das rührt daher, dass alte Motoren nur eine mangelhafte Regelmöglichkeit hatten, um auf dünnere Luft zu reagieren.

STANDARD: Wäre auch bei Lkws die Manipulation durch eine Software theoretisch möglich, wie das bei VW der Fall war?

Kriegler: Theoretisch ja. Eine Software könnte erkennen, ob der Motor am Prüfstand oder im Straßenfahrzeug verbaut ist. Beim SCR-Verfahren, das den Stickoxidausstoß verringert, wäre es möglich, bei Tests mehr Harnstoff einzuspritzen als auf der Straße. Das kann man nur überprüfen, indem man mit mobilen Messgeräten auf der Straße misst.

STANDARD: Wurden Lkws auf derartige Manipulationen geprüft?

Kriegler: Mir sind keine Berichte bekannt. Mobile Abgasmessgeräte sind technisch aufwendig und noch sehr wenig verbreitet. Deshalb hat es auch so lange gedauert, bis die Manipulationen bei den Pkws entdeckt wurden.

STANDARD: Welches Optimierungspotenzial ist bei Dieselmotoren noch vorhanden?

Kriegler: Ziel ist es, mit dem thermodynamischen Wirkungsgrad auf über 50 Prozent zu kommen, was große Schiffsdiesel heute schon schaffen. Eigenschaften wie hohe Turboaufladegrade, hohe Spitzendrucke im Zylinder, kurze Einspritzdauer und starke Drehzahlreduktion helfen dabei. Hersteller wie Volvo und MAN entwickeln in diese Richtung. Hier ist durchaus noch Potenzial vorhanden.

STANDARD: Sie haben Schiffe erwähnt. Diese werden oft als die größten Verschmutzer dargestellt. Zu Recht?

Kriegler: Bei der Hochseeschifffahrt wird billiges Schweröl als Kraftstoff eingesetzt, das einen hohen Schwefelgehalt aufweist und entsprechende Abgase hat. In den Häfen und in bestimmten küstennahen Gebieten müssen Schiffe dieselben Auflagen wie Kraftwerke erfüllen und dürfen kein Schweröl mehr verbrennen. Hier wird auf Diesel umgeschaltet. Es sind Bestrebungen im Gange, die Abgase auch außerhalb der emissionsbegrenzten Zonen zu entschwefeln.

STANDARD: Tesla hat Elektro-Trucks angekündigt, Hersteller wie MAN präsentieren erste Elektro-Lkws. Auf der anderen Seite werden Wasserstoff-Lkws in Stellung gebracht. Wohin wird Ihrer Meinung nach die Reise bei der Diesel-Nachfolge gehen?

Kriegler: Ich denke, dass wir bei den großen Lkws noch lange mit dem Diesel leben werden. Anders sieht es für mich im Verteilerverkehr aus, bei dem Elektro-Lkws heute schon sinnvoll einsetzbar wären. Leider gibt es für diesen Bereich noch keine große Auswahl. Das Gros der Hersteller ist zögerlich. Wasserstoff-Lkws sehe ich langfristig als ernsthafte Alternative. In einem Kilo Wasserstoff steckt mehr als das Dreifache an Energie als in einem Liter Diesel.

STANDARD: Bei Wasserstoff-Antrieben war lange der Tank das Problem. Wurde das mit den zeitgemäßen Druckbehältern gelöst?

Kriegler: Teilweise ja, aber noch nicht endgültig. Es war richtig, sich auf einen standardisierten Druckspeicher zu einigen. Sonst brächte man Fahrzeuge verschiedener Hersteller gar nicht auf die Straße. BMW hat es in einem Fahrzeug auch mit flüssigem Wasserstoff versucht, wobei auf minus 255 Grad Celsius gekühlt werden muss. Diese Kryotechnik hat sich aber als nicht sehr konsumentenfreundlich erwiesen.

STANDARD: Welche Rolle gestehen Sie Hybridtechnologien bei Lkws zu?

Kriegler: Kombinationen von Diesel- mit Elektromotoren bringen für spezielle Anwendungsgebiete gute Lösungen. Bisher gibt es Prototypen, aber noch kein Serienangebot. Hybrid-Lkws sind durch doppelten Antrieb und doppelte Speicher voraussichtlich um einiges teurer als reine Elektro-Lkws. Vor langer Zeit hatte ich diesbezüglich eine Anfrage einer großen Bäckereikette. Dort wollte man in die Hallen, wo das Brot verladen wird, nicht mit dem Verbrennungsmotor hineinfahren – aus verständlichen Gründen. Da wäre ein Hybridantrieb optimal. Das war aber einfach zu teurer.

STANDARD: Bei Pkws wurde auch mit Wechselbatterien experimentiert.

Kriegler: Bei Pkws hat das nicht funktioniert. Dort ist Differenzierung gefragt. Was bisher der Hubraum war, der am Autoheck prangt, wird in Zukunft die Reichweite sein. Logistiker könnten aber durchaus Wechselsysteme einführen. Bei genau definiertem Betrieb würde das durchaus Sinn machen.

STANDARD: Ist Ihrer Meinung nach Reichweite bei der Wahl des Antriebs für Logistiker das allein schlagende Argument?

Kriegler: Nein, aber es ist eines der Hauptargumente. Eine allgemeingültige Aussage lässt sich nicht treffen, es hängt vom Einsatzzweck und vom Businessmodel ab. Ein Zusteller, der seine Strecken genau kennt, kann den Einsatz von Elektrofahrzeugen planen.

STANDARD: Wie wird der Trend zu alternativen Antrieben Ihrer Wahrnehmung nach in der Logistikbranche gesehen?

Kriegler: Dort ist man verunsichert. Auf der einen Seite wird der Dieselantrieb verteufelt. Auf der anderen Seite findet sich aber vielleicht kein passendes Angebot im Bereich der Elektromobilität. Viele wissen nicht, wann der richtige Zeitpunkt für die Umstellung ist. Hier kann man empfehlen, zumindest auf einen modernen Diesel umzusteigen. (Alois Pumhösel, 14.9.2017)