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Stimmt die Musik, dann werden sogar weniger ansehnliche Vertreter der Männlichkeit interessant.

Foto: AP/Eric Risberg

Wien – Es gibt wohl kaum eine Kultur der Menschheitsgeschichte, in der Musik nicht eine bedeutende Rolle spielt. Zur Frage, warum wir überhaupt musizieren, existieren zahlreiche unterschiedliche Theorien, doch keine davon konnte bislang bestätigt werden. Charles Darwin beispielsweise meinte im Rahmen seiner Evolutionstheorie, dass sich Musik – so ähnlich wie beim Vogelgesang während der Paarungszeit – durch sexuelle Selektion entwickelt hat: Die motorischen und kognitiven Fähigkeiten, die beim Musizieren notwendig sind, dienen dabei als Indikator für gute Gene und erhöhen somit den Fortpflanzungserfolg. Wiener Psychologen konnten nun im Experiment diese These untermauern, indem sie einen Zusammenhang zwischen Musik und sexuelle Anziehung herstellten.

"Derzeit gibt es nur wenige empirische Befunde, die Darwins Theorie zum Ursprung von Musik stützen. Wir wollten ein neues experimentelles Paradigma anwenden, um die Rolle von Musik bei der Partnerwahl zu untersuchen", meint Manuela Marin, Leiterin der Studie und ehemalige Mitarbeiterin des Instituts für Psychologische Grundlagenforschung und Forschungsmethodik der Universität Wien.

Verändert Musik die Wahrnehmung?

In der im Fachjournal "Plos One" präsentierten Studie untersuchten Marin und ihr Team den Einfluss von Musikerleben auf die subjektiven Bewertungen von gegengeschlechtlichen Gesichtern. "Die Attraktivität des Gesichts ist eines der wichtigsten körperlichen Merkmale, welche die Partnerwahl beeinflussen kann. Wir wollten herausfinden, wie Musik die Wahrnehmung dieses Merkmales verändern kann", so Koautor Helmut Leder von der Fakultät für Psychologie der Universität Wien. Da Musik vor allem vor der Technologisierung immer im Hier und Jetzt und meist im sozialen Kontext erlebt wurde, ist es plausibel anzunehmen, dass Musik die visuelle Wahrnehmung von Gesichtern positiv beeinflussen könnte.

In ihrem Experiment präsentierten die Forscher den heterosexuellen Teilnehmern zunächst instrumentale Musikausschnitte, die in Bezug auf ihren emotionalen Gehalt variierten, gefolgt von Bildern von einem gegengeschlechtlichen Gesicht mit neutralem Ausdruck. Das Gesicht sollte daraufhin in Bezug auf seine Attraktivität auf einer Skala bewertet werden. Zudem wurde auch die Bereitschaft erhoben, sich mit dieser Person zu treffen. In der Kontrollgruppe wurden nur Gesichter ohne Musik präsentiert.

Insgesamt gab es drei Gruppen von Teilnehmern: Frauen in der fruchtbaren Phase ihres Zyklus, Frauen in der unfruchtbaren Phase ihres Zyklus und Männer. Diese Gruppen waren sich in ihren musikalischen Vorlieben und ihrer musikalischen Ausbildung, sowie in ihrer Stimmung vor dem Experiment und in ihrem Beziehungsstatus ähnlich.

Je komplexer die Musik, desto größer der Effekt

Die Resultate deuten tatsächlich eine Beziehung zwischen Musik und Anziehungskraft an: Es zeigte sich, dass Musik Frauen männliche Gesichter attraktiver beurteilen lässt und ihre Bereitschaft zu einem Treffen erhöht. Die Zyklusphase hatte keinen großen Einfluss auf die Bewertungen. Vor allem hocherregende und somit komplexe Musik führte zum größten Effekt im Vergleich zur Kontrollbedingung. Bei Männern dagegen hatte Musik keinen Effekt auf das Urteil, dass sie sich über die ihnen präsentierten weiblichen Gesichter bildeten.

Diese Ergebnisse eröffnen neue Möglichkeiten, die Rolle von Musik bei der Partnerwahl in Verbindung mit Aspekten der körperlichen Attraktivität zu analysieren. So gilt es beispielsweise zu klären, ob musikalische Fähigkeiten und Kreativität Schwächen in Bezug auf körperliche Erscheinung und Fitness zum Teil kompensieren können.

Die Implikationen der Ergebnisse könnten weitreichend sein: "Die empirischen Befunde, dass Musik die Kraft besitzt, menschliches Verhalten in Bezug auf die Partnerwahl zu beeinflussen, nehmen zu. Aber wie kann man Darwins Theorie mit anderen biologischen und sozialen Theorien zur Entstehung von Musik in Einklang bringen?", meint Marin. "Musik kann den sozialen Zusammenhalt fördern, und sie spielt auch eine Rolle in der Mutter-Kind Beziehung. Bis wir diese Zusammenhänge verstehen, ist es noch ein weiter Weg." (red, 12.9.2017)