Das über Mohammed Ali Taheri, den Führer einer spirituellen Bewegung im Iran, verhängte Todesurteil sorgt zu Recht für internationale Empörung: Der Fall ist selbst in der iranischen Justiz umstritten. Bei der jüngst ausgesprochenen Höchststrafe handelt es sich nämlich um den zweiten Versuch einer niedrigeren Instanz, dem Esoteriker Taheri "fesad fel arz" anzuhängen, ein Urteil, das das Oberste Gericht jedoch schon einmal aufhob. Auch diesmal hat Taheri, der 2010 das erste Mal verhaftet wurde und seit 2011 im gefürchteten Evin-Gefängnis in Teheran sitzt, die Möglichkeit zur Berufung.

Als "Korruption auf der Erde" würde man das Verbrechen, für das der 61-Jährige hingerichtet werden soll, übersetzen: Gemeint ist jemand, der die soziale – und religiöse – Ordnung zu zerstören versucht. Ihm wird vorgeworfen, mit seinen Lehren den Islam sozusagen aufzuheben: Wo genau die Grenze ist, an der ein Mystiker, als der sich Taheri auch sieht, das tut, ist bekanntlich schwer festzumachen. Der historische Islam war da toleranter.

Taheri jedenfalls hat einen ganzheitlichen Ansatz für die Natur und den Kosmos, den "Interuniversalismus", aus dem er die Fähigkeit ableitet, den Menschen (oder ein Tier, eine Pflanze) beziehungsweise einen Teil davon aus dem "Ganzen" zu heilen. Zu seinen Vorlesungen strömten in den Jahren vor seiner Verhaftung hunderte Zuhörer, durchaus auch aus seriösen Institutionen. Faradarmani und Psymentologie heißen die beiden von ihm gegründeten medizinischen Zweige. Bei uns würde er vielleicht wegen unrechtmäßigen Führens akademischer Titel, vielleicht auch wegen Betrugs und Quacksalberei belangt.

Viel Persönliches weiß man nicht über den "Meister". 1956 in Kermanshah geboren, ging er später in Teheran zur Schule. Seine "offizielle" Biografie beschäftigt sich ausführlich mit dem großen technischen Talent, das er bereits als Kind zeigte: Demnach habe er Flugmaschinen hergestellt, deren Ausgereiftheit seiner Familie Probleme mit dem Savak, dem Geheimdienst des Schahs, bescherte. Er studierte offenbar auch kurz an der Technischen Universität in Ankara, die er jedoch ohne Abschluss verließ. Zurück in Teheran, gründete er eine Firma und war wohl so etwas wie ein Erfinder im Dienste der Menschheit. Seine Lehre entwickelte er um das Jahr 2000, 2006 gründete er sein Institut. Das später aufgehobene Todesurteil wurde 2015 verhängt, Taheri war seitdem mehrmals im Hungerstreik. (Gudrun Harrer, 12.9.2017)