Generation Gutenberg und Generation Smartphone in der Wiener U-Bahn-Station Stadtpark.

Foto: Corn

Computer werden Sarkasmus verstehen, bevor die Amerikaner es tun." Dieser Satz wurde von einer Maschine ins Deutsche übersetzt: von Google Translate. Er stammt von einem Mitarbeiter des Unternehmens und wird in einem Text über künstliche Intelligenz im New York Times Magazine zitiert. Künstliche Intelligenz wird unser Leben verändern – womöglich mehr, als die meisten Menschen sich das vorstellen können. Bei einer Konferenz, die Anfang des Monats in Wien stattgefunden hat, waren Dinge zu hören, die zumindest Nichtfachleuten den Mund offen stehen ließen. Auch wenn man, wie der Autor dieser Zeilen, die technischen Details nicht annähernd versteht, ahnt man: Wir erleben eine Revolution.

Diesmal ist alles anders – diesmal wirklich. Das hört man dauernd. Dummerweise bleiben die Diskussionen bezüglich der Digitalisierung oft im Technischen und Ökonomischen stecken – was der Sache eindeutig nicht angemessen ist. Wie wichtig dieses Thema ist, zeigt auch ein Blick in den aktuellen Economist, der in dieser Woche gleich mehrere Texte über digitale Gesichtserkennung veröffentlicht. Das nicht eben technophobe Wirtschaftsmagazin erwähnt dabei nicht nur ökonomische Aspekte, sondern betont die bevorstehenden gesellschaftlichen Umbrüche.

Angesichts dieser Umbrüche kommt es gerade recht, dass Greenpeace jüngst "Netpeace" gestartet hat, um sich für ein friedliches und demokratisches Internet starkzumachen. Vergangene Woche ging diese neue Initiative an die Öffentlichkeit. Unabhängig davon, ob man alle Forderungen von Netpeace teilt: Es ist überaus begrüßenswert, dass sich eine Organisation, die sich für den Frieden mit der Natur einsetzt, ins Netz ausdehnt. Wer an einer guten Zukunft interessiert ist, muss Digitalisierung, Demokratie und Nachhaltigkeit zusammendenken.

Alle, die meinen, auch nur halbwegs treffsicher angeben zu können, wohin die Reise geht, kann man übrigens getrost ignorieren. Man weiß nicht und kann nicht genau wissen, welche Veränderungen die digitale Revolution mit sich bringen wird. Man kann nur Vermutungen anstellen. Dasselbe gilt für eine zukunftsfähige Entwicklung: Auch wenn es mittlerweile sogar offizielle Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen gibt – wie eine nachhaltige Gesellschaft aussehen wird, weiß niemand und kann niemand wissen.

Immer mehr Technik

Es ist eine offene Frage, wie eine Gesellschaft, die immer mehr auf Technik setzt, mit den Möglichkeiten digitaler Überwachung umgeht. Nicht nur Harald Welzer befürchtet eine "smarte Diktatur". Auch das Verhältnis von künstlicher Intelligenz und menschlicher Dummheit ist relevant. Diese Dummheit, folgt man Robert Misik, ist ja nicht zuletzt durch digitale Netzwerke hoffähig geworden. Die Demokratiefähigkeit der digitalen Gesellschaft steht auf der Tagesordnung.

Die Sache hat auch eine Genderdimension. Von den aktuellen Sexismusdebatten abgesehen: Man muss nicht sehr feministisch veranlagt sein, um zu fragen, was es eigentlich für die Qualität von Technologien bedeutet, wenn an ihrer Entwicklung hauptsächlich Männer beteiligt sind. Der oben erwähnte Text über künstliche Intelligenz nennt einige technische Geniegestalten – unter ihnen keine einzige Frau. Bemerkenswert.

Die sozialen Folgen der Digitalisierung könnten dramatisch sein – nicht zuletzt deshalb, weil nicht nur manuelle Arbeitsplätze gefährdet sind, sondern zunehmend auch die Jobs von Menschen mit Universitätsabschluss: Ärzte und Anwältinnen zum Beispiel. Unternehmensberater sind fleißig dabei, diese Folgen der digitalen Revolution abzuschätzen. Dabei ist ein Standardargument, dass neue Technologien immer schon Jobs gekostet haben – aber stets auch neue Arbeitsplätze generiert wurden. Und in der Tat ist es sehr wahrscheinlich, dass es in Zukunft viele Jobs geben wird, die es heute nicht gibt.

Leider gibt es ein fundamentales Problem mit dieser "Lösung". Digitalisierung findet auf einem endlichen Planeten statt – und von dem kann man heute nicht mehr glauben, dass er noch allzu viel Platz für weitere Expansion bietet. Das genau ist aber bisher stets der Ausweg aus technologisch bedingten Umwälzungen am Arbeitsmarkt gewesen: Wachstum. Das stößt an Grenzen, denn: Auch wenn digitale Technologie oft Dinge ersetzt oder verkleinert – grundsätzlich baut die postindustrielle Wirtschaft auf einer ressourcenintensiven industriellen Ökonomie auf, statt sie abzulösen.

Umso schlimmer, dass Digitalisierung und Ökologie so selten zusammengedacht werden. In den Nachhaltigkeitszielen der UN kommt das Wort "digital" nur ein einziges Mal vor! Das ist ein Grundproblem aktueller Zukunftsdebatten: Nachhaltigkeitsleute haben keine Ahnung von Digitalisierung, Digitalisierungsfreaks interessieren sich nicht für Nachhaltigkeit. Ausnahmen sind der erwähnte Harald Welzer und der Berliner Nachhaltigkeitsforscher Tilman Santarius.

Santarius' Einsichten sind wenig ermutigend: Digitalisierung ist nie nur virtuell, sondern hat eine (ge)wichtige physische Dimension, sie ist mit giftigem Elektroschrott und dem Verbrauch von seltenen Erden und sehr viel Energie verbunden. Die Beschleunigung der Gesellschaft durch Technologie tut ein Übriges. Digitalisierung ist vermutlich keine umweltfreundliche Utopie, sondern erhöht die Geschwindigkeit des globalen Umweltverbrauchs.

Erregte Pornoindustrie

Und sie hält fantastische Möglichkeiten bereit: Neue Geschäftsmodelle entstehen, medizinische Diagnostik kann viel besser werden, Energieversorgung effizienter, und nicht zuletzt entwickeln sich Bilderkennung, Übersetzung, Computerspiele und (sehr zur Freude der Pornoindustrie) Virtual Reality mit atemberaubender Geschwindigkeit. Gleichzeitig hat Digitalisierung sehr wichtige politische, soziale und eben nicht zuletzt ökologische Dimensionen. Das alles erfordert Reflexion und Gestaltung.

Und was sagt die Politik zu diesem Ausnahmezustand? Weder im deutschen Bundestagswahlkampf noch im Vorfeld der Nationalratswahl spielt Digitalisierung bisher eine wichtige Rolle. Dasselbe gilt auch für andere Zukunftsthemen wie den Klimaschutz. Das ist bedauerlich, unverantwortlich und eigentlich unglaublich. (Fred Luks, 13.9.2017)