Das Parlament in Bagdad hat das kurdische Unabhängigkeitsreferendum nicht nur als verfassungswidrig bezeichnet, es hat Premier Haidar al-Abadi auch aufgefordert, "alle Maßnahmen" zu ergreifen, um es zu verhindern. Aber der Zug ist abgefahren: Die Abstimmung am 25. September wird stattfinden. Abadi hat ihr nichts entgegenzusetzen, zum Glück auch keine militärische Gewalt.

Was die Kurden vielleicht gestoppt hätte, wäre eine Anerkennung der kurdischen Souveränität in allen von ihnen beanspruchten – also auch in den mit den Arabern umstrittenen – Gebieten sowie eine völlige Neudefinition des Verhältnisses zwischen Erbil und Bagdad, etwa in Form einer Konföderation. Das ist theoretisch auch nach dem Referendum noch möglich. Politisch ist es jedoch schwer vorstellbar: 2018 sind im Irak Parlamentswahlen.

Die Nachbarländer sind ablehnend, die Freunde der Kurden – USA, EU – skeptisch. Nur Israel hat erneut seine Unterstützung der kurdischen Unabhängigkeit kundgetan. Dass die Kurden "einen Staat verdienen", ist auch die öffentliche Meinung in Europa: Wer könnte ernsthaft widersprechen? Dass die Fragilität der Region zumindest im Moment dagegen spricht, wird von Befürwortern nicht anerkannt – und wirklich, wann war sie je stabil? Aber auch die Kurden selbst haben ihre eigenen tiefen Spaltungen noch nicht überwunden. Die Gefahr für ein neues Kurdistan kommt nicht nur von außen, sondern auch von innen. (Gudrun Harrer, 13.9.2017)