Mehr Wissen in Wirtschafts- und Finanzfragen sollte bei der Zielsetzung der Bildungspolitik höher gewichtet werden. Jedoch handelt es sich dabei um ein Langzeitprojekt, der Hebel sollte bereits in der Volksschule angesetzt werden.

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Wien – Ob Frankenkredite, zunehmende Ratenkäufe auf Pump oder auch das Festhalten an de facto unverzinsten Sparbüchern – Indizien dafür, dass es um die Kompetenz des Durchschnittsösterreichers in Finanz- und Wirtschaftsfragen nicht allzu gut bestellt ist. Diese Ansicht vertritt jedenfalls Bettina Fuhrmann, Leiterin des Instituts für Wirtschaftspädagogik der WU Wien. Sie ist der Ansicht, dass in diesem Bereich dringender Handlungsbedarf besteht: "Auf jeden Fall muss man dieses Problem angehen."

Für Österreichs Wirtschaft wäre ein besseres Verständnis für Wirtschafts- und Finanzfragen ein Gewinn, ist Fuhrmann überzeugt: "Insgesamt sollte es sich sowohl für den Einzelnen als auch für die Gesellschaft positiv auswirken, wenn Menschen bewusste und reflektierte finanzielle Entscheidungen treffen." Etwa, indem es zu weniger Privatkonkursen komme, sagt die WU-Professorin und fügt hinzu: "Ich würde mir wünschen, dass die Schuldnerberatungsstellen wieder mehr Zeit in Prävention investieren können."

Mut zur Selbstständigkeit

Österreichs Unternehmertum könnte durch ein höheres Niveau an Finanzbildung ebenfalls gestärkt werden – indem es mehr Menschen dazu anregt, den Schritt in die Selbstständigkeit zu wagen. Aber auch Aktien, in gewissem Sinn die unternehmerische Schmalspurvariante für Unselbstständige, sind in Österreich laut Fuhrmann trotz Zinsflaute unverändert ein "Minderheitenprogramm" wegen des "sehr stark ausgeprägten Sicherheitsbedürfnisses" von Otto Normalanleger.

Laut der Wiener Börse, die ebenfalls Wissenslücken in der Bevölkerung ortet, sind von den 625 Milliarden an Gesamtvermögen der Österreicher insgesamt 61 Prozent in Bargeld, Einlagen oder Lebensversicherungen gebunkert – also entweder in gar nicht oder seit Jahren nur sehr gering verzinsten Anlagen. Auf Aktien entfallen demnach bloß vier Prozent.

Voraussetzung für Aktien

Warum das so ist, versucht der Börsenbetreiber mit einer Umfrage des Market-Instituts unter 800 Österreichern ab 16 Jahren zu beantworten: Dabei gaben 48 Prozent an, sich in Wirtschaftsfragen nicht gut auszukennen, weitere drei Prozent konnten oder wollten keine Antwort geben. Gleichzeitig gaben aber 83 Prozent an, dass sie gutes Finanzwissen als wichtige Voraussetzung für Aktieninvestitionen ansehen.

"Auch wegen fehlenden Finanzwissens ist Österreich eine Sparbuchnation", sagt Börsechef Christoph Boschan mit Blick auf die derzeitige Zinswüste. Als Alternative verweist er auf den heimischen Aktienmarkt, wo der Leitindex ATX langfristig inklusive Dividenden im Schnitt fast 6,9 Prozent pro Jahr eingespielt habe. "Wir müssen das Problem an der Wurzel packen", betont Boschan.


Dabei steht Österreich mit finanziellen Wissensengpässen keineswegs allein da. "Das ist ein Problem, das es auch in den USA gibt", sagt Fuhrmann. Vielmehr schneidet Österreich in Ländervergleichen wie der OECD-Studie "Measuring Financial Literacy" aus dem Jahr 2016 sogar ganz gut ab – für die WU-Professorin dennoch ein schwacher Trost. Denn bei einem Vergleich der OECD-Vorgaben darüber, was Jugendliche über Geld wissen sollten, mit den Schullehrplänen "entdeckt man eine riesige Lücke".

Um diese sukzessive zu schließen, spricht sich Fuhrmann für einen stärker ökonomisch gefärbten Unterricht ab der Volksschule aus – und zwar in mehreren Fächern wie Wirtschaftskunde, Mathematik oder Geschichte. "Man müsste nicht den Lehrplan umschreiben, sondern nur neu gewichten", sagt die Wirtschaftspädagogin – und sieht darin eine Aufgabe für die nächste Regierung. Die Chancen auf eine konsequente Umsetzung hält sie aber für gering, da es sich um ein Langfristprojekt handle. Sprich, die Früchte dieser Investition würden erst in darauffolgenden Legislaturperioden anfallen. (Alexander Hahn, 17.9.2017)