ORF-Stiftungsrat Norbert Steger, entsandt von der FPÖ.

Foto: Heribert Corn

Wien – "Putsch", "Befangenheit", "Glaubwürdigkeit": Die Wortwahl der Stiftungsratsmitglieder war am Donnerstag im ORF deutlich und lässt Rückschlüsse auf den aktuellen Wahlkampf zu, während dem es gerne auch einmal direkter sein darf. Einen "Putsch" der Bundesländer sieht FP-Stiftungsrat Norbert Steger im Treffen der Landeshauptleute mit den Länderstiftungsräten vergangenen Samstag in Salzburg. Steger bastelt schon mit der FPÖ an einem neuen ORF-Gesetz, das nach seiner Vorstellung nur noch zwölf Stiftungsräte vorsieht.

"Ich beteilige mich nicht an Ersatzdiskussionen", sagte Steger mit Blick auf die anhaltende Aufregung über die Urlaubsvergangenheit von ORF-Moderator Tarek Leitner und SPÖ-Bundeskanzler Christian Kern. Er meinte allerdings auch: ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz werde nicht dafür in Erinnerung blieben, dass er "Objektivität im Sinne der BBC verankert hat".

Vorfreude auf Koalitionsverhandlungen

Aber "bis zum neuen Gesetz ist es ja nicht mehr lang", blickte Steger schon mit kaum verhohlener Vorfreude Koalitionsverhandlungen seiner Partei entgegen. Das Medienkapitel werde er da wohl mitverhandeln, meinte er im Gespräch mit Journalisten. Dass er bereits mehrere Versionen für eine ORF-Reform in der Schublade hat, gab er schon vor dem Sommer bekannt.

Was seiner Ansicht nach geändert werden muss: "Der öffentlich-rechtliche Auftrag ist nicht ausreichend definiert." Der ORF solle auch künftig finanziert werden, aber "nicht für die Quote", sondern für die Erfüllung eines klaren Auftrages. Der Stiftungsrat selbst sei mitnichten "entpolitisiert" – künftig sollen ihn die Parteien zwar auch nicht mit Politikern, aber "deklariert" nach dem D'Hondt'schen System bestücken. Die 35 Mitglieder würde Steger auf zwölf reduzieren: "Das ganze Brimborium gehört weg."

"Beirat" für Länder

Neun Bundesländer-Vertreter würden sich bei dieser Zahl nicht mehr ausgehen, aber das ist nach Meinung Stegers auch nicht nötig: Die Ländern sollten einen "Beirat" erhalten, der ein Mitglied entsendet. Der ORF werde auch "nur überleben, wenn er die Länder und die Landesstudios ernst nimmt", so Steger. Dass sich die Länder-Stiftungsräte vergangene Woche quasi auf eigene Faust trafen, ist für ihn aber schlicht ein "Putsch".

Das wiederum erboste das Kärntner Mitglied Siggi Neuschitzer: "Wenn sich neun Sitftungsräte Gedanken und Sorgen über die Landesstudios machen, und dann ein Wiener Stiftungsrat von 'Putsch' spricht, dann weiß ich nicht, ob der noch richtig in diesem Gremium ist." Man vertrete nicht die Interessen der Länder, sondern arbeite für den ORF.

"Scheindiskussion"

Eine "Scheindiskussion" über die Sommergespräche sah der SPÖ-Freundeskreisleiter Heinz Lederer. Schließlich gehe aus dem aktuellen Qualitätssicherungsbericht hervor, dass sich das Publikum vom ORF "gut und ausgewogen informiert" fühle – und das im Berichtszeitraum 2016, in dem praktisch das ganze Jahr gewählt wurde (nämlich der Bundespräsident). Er habe das "Gefühl", dass "in Zeiten des Wahlkampfs" nicht nur "persönliche Verunglimpfung" von Journalisten, namentlich Leitner, betrieben, sondern generell ein Vorstoß in Richtung Reglementierung der ORF-Journalisten versucht werde. Das habe eine "ganz schlechte Optik", warnte Lederer vor Verhältnissen "in einem Nachbarland". "Das beginnt bei der Nummer fünf der ÖVP-Liste und geht weiter. Dagegen muss man sich entschieden wehren."

Ganz anders Thomas Zach, der Leiter des ÖVP-"Freundeskreises" im ORF-Stiftungsrat erneuerte noch vor Beginn der Sitzung seine Kritik: "Ich habe keine Zweifel an Tarek Leitner als Journalist, aber an Alexander Wrabetz als Infochef." Grund für die Kritik sind diverse gemeinsame Urlaube der Familien von Bundeskanzler Kern und "Sommergespräche"-Moderator Leitner, die für Vorwürfe der Befangenheit sorgen.

"Notwendige Sensibilität"

"Zu so einer Situation würde es nicht kommen, wenn der Generaldirektor seinen eigenen Verhaltenskodex einhalten würde", sagte Zach. Wrabetz ist seit Jahresanfang selbst für die Information des Senders verantwortlich. Es sei "hoch an der Zeit", dass Wrabetz die "notwendige Sensibilität entwickelt, um Objektivität im ORF sicherzustellen", sagte Zach. Letztlich gehe es "um das höchste Gut, das wir haben, das ist unsere Glaubwürdigkeit". Steger greift Leitners Interviewführung mit Kern direkt an: "Wieso hat er keine einzige kritische Frage gestellt? Jeder hat gesehen, wie unterschiedlich die Diskussionen verlaufen sind."

Dabei dräut schon die nächste Debatte über eine ORF-Mitarbeiterin: Dass Ski-Co-Kommentatorin Alexandra Meissnitzer am Mittwoch bei der Präsentation des ÖVP-Wahlprogramms an der Seite von Spitzenkandidat Sebastian Kurz aufgetreten war, hatte der ORF-Konkurrent Puls 4 in seinen Nachrichten ausgeschlachtet. Meissnitzer selbst hatte betont, als "neutrale Person" auf der Bühne zu stehen. Ihr Parteiauftritt "war dem ORF weder bekannt, noch wäre er von diesem genehmigt worden", hieß es in einer Reaktion des Küniglbergs: "Es wird daher ein Gespräch mit Alexandra Meissnitzer geben, in dem diese entsprechend sensibilisiert wird."

Das Plenum des ORF-Stiftungsrats trat am Donnerstag erstmals im neu renovierten Sitzungssaal zusammen. Die Mitglieder des obersten Aufsichtsgremiums zeigten sich weitgehend unbeeindruckt von der Kritik an der neuen Location. Inhaltlich standen unter anderem Berichte des Generaldirektors zu Sparprogramm und Medienstandort auf der Tagesordnung, auch die "Sommergespräche"-Moderation kommt wohl aufs Tapet.

Für viele Stiftungsräte war der Sitzungssaal keine echte Premiere, denn zuvor hatten schon die Ausschüsse dort getagt. Der Sitzungskomplex schlug mit etwa 770.000 Euro zu Buche – was die "Kronen Zeitung" am Mittwoch als zu teuer angeprangert hatte, auch FPÖ-Mediensprecher und -Generalsekretär Herbert Kickl hatte per Aussendung gegen die "Geldverschwendung" gewettert. (red, APA 14.9.2017)