Ferdinand von Hochstetter, "Briefe aus dem Böhmerwald" 1852–1855, herausgegeben von Sascha Nolden, 120 Seiten / € 24,00, Edition Thanhäuser, Ottensheim 2017.

Edition Thanhäuser

Ferdinand von Hochstetter als junger aufstrebender Naturforscher, Lithografie aus dem Jahr 1857.

Adolf Dauthage

Wien – "Wirklich gerührt" zeigte sich Wiens Bürgermeister Michael Häupl, als ihm am Montag im Naturhistorischen Museum Wien die Ferdinand-von-Hochstetter-Medaille überreicht wurde. Das waren gewiss nicht nur Höflichkeitsfloskeln: Der studierte Herpetologe war schließlich zwischen 1975 und 1983 wissenschaftlicher Mitarbeiter des Hauses am Ring. Außerdem ist die Medaille die höchste Auszeichnung, die das Museum verleiht.

Deren Namensgeber Ferdinand von Hochstetter (1829–1884) war nicht nur erster Intendant des Museums, sondern auch einer der wichtigsten Naturforscher und Weltreisenden, die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Österreich tätig waren.

Berühmt in Neuseeland

Um einiges bekannter als in Österreich ist der aus Deutschland stammende Forscher freilich am anderen Ende des Globus, nämlich in Neuseeland. Dort nahm das Mitglied der legendären Novara-Expedition 1859 die erste und bis jetzt einzige vollständige geologische Vermessung der Inseln vor. Hochstetter zu Ehren sind dort unter anderem ein Berg, ein See, und je eine endemische Vogel-, Pilz- und Froschart nach ihm benannt.

Dem Geowissenschafter, den die Technische Universität Wien am Karlsplatz immerhin mit einer Büste würdigt, verdanken wir aber auch die weltweit erste korrekte Beschreibung eines Tsunami-Ereignisses.

Zwischen seinen Studien in Deutschland (Theologie und Naturwissenschaften, Abschluss 1852) und seiner Weltreise auf der Novara war Hochstetter von 1852 bis 1856 für die österreichische Geologische Reichsanstalt tätig, zu einer Zeit, als die Naturwissenschaften in Wien gerade aus ihrem jahrzehntelangen Tiefschlaf erwachten.

"Langweiligster Winkel des Kaiserstaates"

Hochstetter wollte eigentlich Tirol geologisch untersuchen, musste dann aber mit dem Böhmerwald, dem Karlsbader Gebirge, dem Erzgebirge und den westlichen Teilen des Böhmisches Mittelgebirges vorlieb nehmen, was ihn zunächst kränkte, da er den südlichen Teil Böhmens für "den langweiligsten, uninteressantesten sein sollenden Winkel des ganzen Kaiserstaates" hielt, wie er seinem Vater schrieb.

Schon bald aber verliebte er sich nachgerade in die Landschaft, wie aus den nun veröffentlichten "Briefen aus dem Böhmerwald" hervorgeht: "Böhmen ist gar nicht so böhmisch, wie man bei uns glaubt (...) Auch die böhmischen Dörfer sind nicht so schrecklich. Die Leute zwar sehr abergläubisch, aber die Gegenden reizend. Bei diesen angenehmen Verhältnissen kann ich Wien auch leicht entbehren."

Lokal- und Wissenschaftsgeschichte

Hochstetter liefert in seinen Episteln, die fast immer an die "theuersten Eltern!" adressiert sind, aber nicht nur lokalhistorisch bemerkenswerte Stimmungsbilder aus dem Böhmerwald. Die vom neuseeländischen Hochstetter-Spezialisten Sascha Nolden edierte Briefsammlung gibt en passant auch Einblicke in die Lage der Wissenschaft in Wien kurz nach Gründung der damals noch in jeder Hinsicht jungen Akademie der Wissenschaften (1847) und der zwei Jahre später eröffneten Geologischen Reichsanstalt.

Nicht zuletzt ist der bibliophil gestaltete Band aber auch ein Augenschmaus, für den sechzehn Holzschnitte vom Verleger Christian Thanhäuser sorgen. (tasch, 14.9.2017)

Buchpräsentation und Ausstellungseröffnung am 15. 9. um 19 Uhr in der Galerie im Gwölb in der Böhmerwaldgemeinde Haslach an der Mühl.

Ferdinand von Hochstetter, "Briefe aus dem Böhmerwald 1852–1855, herausgegeben von Sascha Nolden, 120 Seiten / € 24,00, Edition Thanhäuser, Ottensheim 2017.