Das Bregenzerwälderhaus der Familie Hiller in Egg ist fast 400 Jahre alt. Vor der Sanierung stand es 30 Jahre leer, hatte weder Strom- noch Wasseranschluss und keine Zufahrt.

Hiller

Heute ist es liebevoll restauriert und durch ein neu errichtetes Hinterhaus Heim für drei Generationen.

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Egg – Bauernhäuser, Blockbauten mit den typischen Merkmalen Satteldach, Holzfassade, Schopf, Sprossenfenstern und Holzläden, prägen nicht nur die Landschaft des Bregenzerwaldes. Das Bregenzerwälderhaus ist Relikt einer traditionsbewussten, bäuerlichen Gesellschaft.

Kubatur und Bauweise – Wohnhaus, Wirtschaftsräume und Stall unter einem Dach – entsprechen den Bedürfnissen einer Großfamilie und eines Landwirtschaftsbetriebs. Doch die Gesellschaft im Bregenzerwald hat sich verändert, die Familien wurden kleiner, man konzentriert sich nicht mehr auf die Landwirtschaft. Was tun mit den überdimensionierten alten Häusern?

Ratloser Umgang

Leerstand oder Mindernutzung zeigen, wie ratlos man mit dem Wandel umgeht. Rund 1.000 der hölzernen Zeitzeugen, zwischen 60 und 200 Jahre alt, stehen durchschnittlich 13 Jahre lang leer oder werden nur von einzelnen Personen genutzt. Das ergab eine Erhebung, die um Auftrag der Regionalentwicklung (Regio) Bregenzerwald bereits 2007 durchgeführt wurde.

Das Haus der Familie Hiller in Egg-Großdorf stand fast 30 Jahre leer. Ambros Hiller, ein aus dem Bregenzerwald stammenden Immobilienmakler, beschloss, das beinahe 400 Jahre alte Haus zum Leben zu erwecken. Ein Haus ohne Strom, Wasser, sogar ohne Zufahrt. Warum tut man sich das an? "Ich war immer schon ein leidenschaftlicher Bastler. Die Idee, aus dem Haus etwas zu machen, hat mich fasziniert", begründet Hiller. Aus der Idee wurde eine sieben Jahre dauernde Freizeitbeschäftigung. "Ich war Maurer, Schreiner, Installateur, Elektriker und Abbrucharbeiter", erinnert sich Ambros Hiller. Die kleinen niedrigen Räume und die gute Stube wurden im Original erhalten. Nur Bad und Küche im Vorderhaus entsprechen heutigem Wohnstandard.

Hiller warnt vor Illusionen

Eigentlich sollte das Haus ein Feriendomizil werden. "Wir haben dann aber schnell gespürt, dass es sich hier auch auf Dauer gut wohnen lässt." So wurde die Sanierung auf das Hinterhaus ausgeweitet. "Leider war das aber in einem so schlechten Zustand, dass es abgerissen werden musste." Der Neubau wurde in derselben Größe erstellt, Raumhöhen und -größen entsprechen den heutigen Bedürfnissen. Beim Neubau holte sich die Familie aber professionelle Bauhandwerker an Bord, ließ sich von Architekten unterstützen. Wo früher Wirtschaftsräume und Stall waren, entstanden eine Einliegerwohnung, ein Seminarraum und ein Lagerraum. Je nach Bedarf könnte aus dem Seminarraum eine Altenwohnung werden. Heute wird das alte Haus wieder wie früher von mehreren Generationen genutzt.

Ambros Hiller warnt aber vor Illusionen. "Will man so ein altes Haus auf heutigen Standard bringen, kostet das mehrere 100.000 Euro." Das sei von einer Familie allein nicht zu stemmen. Von der Kubatur her entspreche ein Bregenzerwälderhaus gut einem Zweifamilienhaus. Die Nutzung als solches sei aber durch die geltende Rechtslage behindert. Erlaubt sei oft nur eine 50-prozentige Erweiterung. "Hier hat die Politik Handlungsbedarf", sagt Hiller.

Gründe für den Leerstand

Markus Berchtold, Experte für Dorfentwicklung, befragte 87 Besitzerinnen und Besitzer, warum sie ihre Häuser leerstehen lassen. Eines der wesentlichen Motive: "Die Menschen haben eine starke emotionale Bindung zu ihrem Haus." Der Großteil der Häuser wird vererbt, die Erinnerung an die Eltern oder verstorbenen Ehegatten würden hochgehalten, sagt Berchtold. Meist sind die Eigentümer im Pensionsalter, wagen sich nicht mehr an die Sanierung, oder Erben können sich nicht einigen, nennt er weitere Gründe.

Die Regio reagierte auf die Befragungsergebnisse mit dem Projekt "Alte Bausubstanz". Ein Sanierungsleitfaden, eine Broschüre mit besten Beispielen und eine Website wurden erstellt. Mit dem Land Vorarlberg handelte man eine Förderung aus. Rund 5.000 Euro bekommt man über die "Fassadenaktion" an Subvention – beim hohen Sanierungsaufwand ein eher symbolischer Beitrag. Markus Berchtold wünscht sich mehr Bewusstsein für das Thema Leerstand im Landhaus und entsprechende Maßnahmen, bis hin zu einer Leerstandsabgabe. (Jutta Berger, 15.9.2017)