Fake News sind spätestens seit dem US-Wahlkampf in aller Munde

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Der Autor Simon Hadler ist als Journalist bei orf.at tätig

Das Internet besteht zu einem Großteil aus Pornografie – heißt es immer wieder. Je nach Meldung sollen einmal mehr als die Hälfte aller Inhalte, dann wieder ein riesiger Teil der versandten Daten aus Pornos bestehen. Doch ob das wirklich stimmt, weiß niemand – tatsächlich gibt es Anlass zur Skepsis. "Als das Internet neu war, wollten die Republikaner in den USA unbedingt Regulative einführen, und haben deshalb das Netz als Pool an Nazis, Bombenbastlern und Perversen dargestellt", erklärt der Autor Simon Hadler. So entstand der Mythos von der überwältigenden Masse an Pornografie im Internet. "Der Punkt ist: Wir wissen nicht, ob es stimmt", so Hadler. Für sein neues Buch Wirklich Wahr! hat er sich mit 80 derartigen Fragestellungen beschäftigt, der Grafiker Stefan Rauter steuerte dazu Infografiken bei.

Asylmythen

Die Recherche entwickelte sich aus Hadlers letztem Buch Die Angst vor dem Ansturm, in dem er Mythen über die Asylbewegungen einem Faktencheck unterworfen hat. "Ich war damals schockiert und bass erstaunt über das Ausmaß des Hasses im Netz", sagt Hadler. Er wollte daraufhin allgemein der Frage nachgehen, wie unser Bild in der Welt, vermittelt durch Medien und Social Media, entsteht. Dabei befeuern sich klassische Medien und soziale Medien selber, stellt Hadler fest.

"Immer weniger Personal muss mit immer geringerem Aufwand immer aggressiver um die Leser kämpfen. Recherchetiefe bleibt dabei auf der Strecke", sagt Hadler, der seit 20 Jahren bei ORF.at selbst als Journalist tätig ist. Gleichzeitig greifen User selbst auf immer verkürztere Formen der Kommunikation zurück. Hadler erinnert hier beispielsweise an Memes, also etwa mit kurzen Texten versehene Bilder, die etwa im US-Präsidentschaftswahlkampf eine Rolle spielten: "Noch impulsgesteuerter kann Kommunikation nicht ablaufen – man holt sich im Freundeskreis billige 'Likes' ab, ohne selbst nachdenken oder kreativ sein zu müssen."

Meldungen prüfen

Nutzern rät er, sich ein "persönliches Bullshit-Barometer zuzulegen, das mit der Zeit immer feiner kalibriert wird". Begegnet ihnen eine Meldung im Netz, sollten sie etwa kurz prüfen, in welchem Zusammenhang etwa ein Institut, das eine Studie veröffentlich hat, sonst vorkommt. Wird ein "Experte" etwa immer nur von Akteuren einer bestimmten Partei zitiert, sollte man vorsichtig sein. Wichtig sei es auch, aus dem Text die tatsächliche Quelle zu destillieren. "Fehlt eine Quelle, kann ich den Inhalt gleich vergessen. Ist die Rede von 'Anrainern', 'Informanten' oder 'informierten Kreisen', ebenso", sagt Hadler.

"Weltsicht umgeworfen"

Um seine Thesen gleich in der Praxis zu zeigen, folgen in Hadlers Buch auf einen rund 50 Seiten langen Essay dann jene 80 kurzen Texte mit Infografiken, die vermeintlich bekannte Fakten infrage stellen. "Ich kann kaum glauben, wie sehr durch die Recherchen meine eigene Weltsicht umgeworfen wurde", sagt Hadler. Es ginge auch darum, Sachverhalte in einem größeren Kontext zu betrachten: "Fake-News, sind ein Modethema, das weit überschätzt wird – vor allem in einer globalen Perspektive." So sei ein viel drängenderes Problem, dass es etwa zwischen Nord- und Südhalbkugel eklatante Unterschiede in der Kommunikationsinfrastruktur gäbe. Das illustriert etwa die Statistik der Online-Enzyklopädie Wikipedia: Mehr als die Hälfte ihrer Artikel stammt aus einer Region, die gerade einmal 2,5 Prozent der Landfläche der Erde ausmacht. (Fabian Schmid, 17.9.2017)