Vor der Wahl festgeschriebene Inhalte hält die Liste von Roland Düringer für unnötig.

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Wien – Roland Düringer glaubt nicht mehr daran, dass in einer digitalen Welt, die sich immer schneller verändert, Parlamente und Politiker überleben können. "Am 16. Oktober wird jeder Österreicher eine Wahl getroffen haben, nämlich zur Wahl zu gehen, ihr fernzubleiben oder ungültig zu wählen. Danach sind alle Stimmen, die abgegeben wurden, für die nächsten fünf Jahre weg, und man muss darauf vertrauen, dass eine kleine Minderheit entscheidet, was für die Mehrheit gut ist."

In zehn Jahren werde man "darüber lachen", dass es einmal so etwas wie ein Parlament und Politiker überhaupt gegeben habe, sagt Düringer am Freitag bei der Vorstellung des Wahlprogramms seiner Liste Gilt, die bei der Nationalratswahl am 15. Oktober bundesweit kandidiert.

"Hunderte" Bürgerparlamente sollen mitentscheiden

Das Wahlprogramm von Gilt besteht allerdings nicht aus Inhalten, sondern aus einer Umkrempelung des derzeitigen politischen Systems, worunter sich Düringer die Errichtung einer "offenen Demokratie" vorstellt. Mit der Gründung von sogenannten "Bürgerparlamenten", die sich mit "größeren" Themen wie Atomkraft und dem Freihandelsabkommen Ceta beschäftigen sollen, wolle man die Bevölkerung in politische Entscheidungsprozesse einbeziehen.

Roland Düringer im ORF-Studiogespräch
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Die 183 Sitze in diesen "hunderten" Bürgerparlamenten würden laut Düringer immer wieder neu verlost werden, sodass sich keine "Seilschaften" innerhalb des Parlaments bilden könnten. Mitmachen könne jeder Bürger, der sich dazu bereiterklärt. Gut tausend hätten sich nach einem Aufruf bereits für die "Bürgerparlamente" registrieren lassen. Vergangene Woche fand in Wien das erste derartige Treffen mit 30 Teilnehmern statt, als wichtigstes Thema sei die Bildung identifiziert worden, berichtete Hubertus Hofkirchner von der Liste Gilt.

Menschenrechte als Rahmen für Entscheidungen

Sechs Wochen lang soll dann ein solches Bürgerparlament einzelne Themen besprechen und Experten heranziehen, um schließlich zu einer Entscheidung zu kommen. Diese müsse verpflichtend von den Gilt-Abgeordneten in den Nationalrat getragen werden. Es sei denn, die Abgeordneten könnten sie nicht mit dem eigenen Gewissen vereinbaren oder die Entscheidung verstoße gegen die Menschenrechtskonvention, wie es etwa bei der Einführung der Todesstrafe der Fall wäre.

Man wolle sich auf jeden Fall im Rahmen der Menschenrechte bewegen, sagt Düringer. Er glaube aber nicht, dass die Bevölkerung "schlecht entscheidet" – das tue sie nur, wenn die Möglichkeit zum Austausch nicht gegeben sei, wie etwa bei Volksabstimmungen, wo man über komplexe Themen wie den Brexit nur mit Ja oder Nein abstimmen könne.

Von "Gehts scheißen" zu "Meine Stimme gilt"

Sein persönliches Ziel habe Düringer schon damit erreicht, dass er eine Möglichkeit geschaffen habe, sich in der Wahlzelle zu artikulieren. Die Liste Gilt solle vor allem jene Menschen sichtbar machen, die bei der letzten Wahl ungültig gewählt hätten. Das würde nämlich nichts anderes als "Gehts olle scheißen" bedeuten, was er nun in eine produktive Botschaft, nämlich "Meine Stimme gilt", umwandeln will.

Sollten sich seine Abgeordneten nach einem Einzug ins Parlament verselbstständigen, scherzt Düringer, dass er dann "für eine Einführung der Todesstrafe" wäre – und sagt im Anschluss, dass das freie Mandat auch in einem solchen Fall gelten würde und es keine Kontrollmechanismen gebe: "Man kann ja niemanden zwingen." (Marija Barišić, 15.9.2017)