Stefan Schneeberger, Leiter der Transplantationschirurgie der Med-Uni Innsbruck startet im Jänner 2018 mit der Maschinenperfusion. Er ist der neue Präsident der Europäischen Gesellschaft für Organtransplantation.

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STANDARD: Was kaputt ist, austauschen: Ist das immer noch die Grundidee von Transplantation?

Schneeberger: Im Grunde ja. Die große Revolution hat in den 1980er-Jahren stattgefunden. Eine Transplantation ist heute Routine. Die aktuelle Herausforderung ist, dass sowohl Empfänger als auch Spender immer älter werden.

STANDARD: Was bedeutet "alt"?

Schneeberger: Früher lag das Durchschnittsalter für Spender bei 25 Jahren, heute ist es auf 55 Jahre angestiegen. Die Organqualität ist damit schlechter geworden. Um für Empfänger optimale Ergebnisse zu erzielen, optimieren wir. Auch das Alter der Empfänger steigt, deren Gesundheitszustand wird schlechter. Das bedeutet, dass ein Patient auf der Warteliste für eine Lebertransplantation zusätzlich etwa ein Nierenproblem haben kann. Das ist zu berücksichtigen.

STANDARD: Wie lassen sich Organe optimieren?

Schneeberger: Die sogenannte Maschinenperfusion hat großes Potenzial. Gespendete Organe werden an eine Maschine angeschlossen, die die Verhältnisse im Körper simulieren und auf Funktionen überprüfen kann, etwa die Produktion von Gallenflüssigkeit bei einer Leber. Wir können, bevor wir ein Organ einpflanzen, auf diese Weise ein Organ isoliert optimieren. Abgesehen davon verschaffen wir uns einen Zeitgewinn, das ist auch ein großer Vorteil.

STANDARD: Geht das heute schon?

Schneeberger: Ja, wir starten 2018 in der Klinik. Längerfristig gedacht könnten Organe quasi auch in Reserve gehalten oder nur Teile transplantiert werden. Durch eine Vorbehandlung des Organs mit Zellen vom Empfänger wäre auch denkbar, dass die Abstoßungsreaktion nach der Transplantation gemildert werden könnte. Das ist aber noch Zukunftsmusik. Wir starten 2018 mit der Maschinenperfusion und sind damit eine der ersten Kliniken in Europa.

STANDARD: Lassen sich alle Körperteile ersetzen?

Schneeberger: Im Prinzip ja. Die Frage ist eher: Gibt es zur Transplantation eine Alternative oder lässt sich ein Defekt anders ausgleichen? Wenn es ein perfektes Dialyseverfahren gäbe, müssten wir keine Nieren mehr transplantieren, an implantierbarer Dialyse wird auch gearbeitet. Beim Herz ist das gelungen: Da haben mechanische Pumpen die Zahl der Transplantationen reduziert. Oft lassen sich Organdefizite auch mit Medikamenten ausgleichen, bei Diabetes zum Beispiel ist es besser, Insulin zu spritzen als die Bauchspeicheldrüse zu ersetzen.

STANDARD: Aber auch in der Gynäkologie gab es Durchbrüche?

Schneeberger: Ja, Uterustransplantationen sind klinische Realität. Es sind schon circa ein Dutzend Babys in transplantierten Gebärmüttern gewachsen und erfolgreich zur Welt gekommen. Auch für die Penistransplantation gibt es erste klinische Fälle. Das Spektrum erweitert sich.

STANDARD: Was wird es in fernerer Zukunft geben?

Schneeberger: Tissue-Engineering. Es wird an mechanischen Grundgerüsten für Organe gearbeitet, die mit körpereigenen, im Labor gezüchteten Zellen besiedelt und dann in den Körper eingesetzt werden. In den USA züchtet man Schweine zum Zwecke der Organspende. Diese Tiere sind mit dem Genverfahren CRISPR/Cas9 manipuliert. So lassen sich eventuell Langerhans-Inselzellen für Diabetiker züchten. Sie sollen, einmal implantiert, Insulin produzieren.

STANDARD: Bleibt das Gehirn ...

Schneeberger: Das ist Humbug, es wäre im medizinischen Sinne eine Ganzkörpertransplantation, weil das Gehirn die Identität definiert. Das geht auch deshalb nicht, weil das Rückenmark durchtrennt werden müsste. Wäre das möglich, dann wäre auch eine Querschnittlähmung heilbar.

STANDARD: Aufsehen erregen auch Hand- und Gesichtstransplantationen ...

Schneeberger: Die Ergebnisse der Gesichtstransplantation an der Mayo-Klinik in Rochester sind eindrücklich und zeigen, wo das Niveau ist. Bei den Extremitäten geht es immer um die Ergebnisse. Beim Ersatz vom Bein weiß man, dass Prothesen in 99,5 Prozent der Fälle die bessere Lösung sind. Eine Handtransplantation ist hinsichtlich der Feinmotorik und Sensibilität interessant. Sie fehlt bei Prothesen. Es ist eine Frage der Abwägung. Die Fortschritte bei den Prothesen laufen parallel und sind ja auch enorm. Es geht darum, für einen Patienten die individuell beste Option auszuwählen.

STANDARD: Welche Neuentwicklungen gibt es bei Medikamenten? Patienten müssen ja lebenslang ihr Immunsystem unterdrücken?

Schneeberger: Wir haben die frühen Abstoßungsreaktionen unter Kontrolle, so gut, dass keine neuen Medikamente entwickelt werden. Das ist ein Problem, denn beim Langzeitüberleben gibt es Spielraum für Verbesserung, etwa Medikamente, die die Nieren schonen, oder die Abstoßung durch Antikörper verhindern. Im Studiensetting spiegelt sich das nicht wieder, man sieht aufgrund der guten Einjahreszahlen keinen Entwicklungsbedarf bzw. fehlt der wirtschaftliche Anreiz für ein neues Medikament. Schön wäre, wenn der Fokus auf Langzeitüberleben gelegt würde.

STANDARD: Wie gut ist Österreich?

Schneeberger: Österreich ist so etwas wie ein gelobtes Land, sowohl was die Transplantationszahlen als auch was die -ergebnisse betrifft. Die Akzeptanz in der Bevölkerung ist extrem hoch, im Gegensatz zu Deutschland zum Beispiel.

STANDARD: Eine Frage der Religion?

Schneeberger: Es gibt keine ernstzunehmende wissenschaftliche Arbeit dazu. Generell hat die Transplantationsmedizin aber viel mit der gesellschaftlichen Vorstellung des Todes zu tun. Das beeinflusst unser Fach. In vielen asiatischen Ländern finden zum Beispiel fast nur Lebendspenden statt, weil die Organentnahme von Hirntoten nicht akzeptiert ist. Dafür ist die Organspendebereitschaft der Verwandten viel größer. Insofern bestimmt die Kultur auch die Richtung des Fortschritts in der Transplantationsmedizin. (Karin Pollack, 16.9.2017)