Ilkka Halso imaginiert in den digitalen Collagen der Serie "Museum of Nature" Strukturen, die die Natur vor menschlichen Eingriffen schützen könnten: Ein Glasdach überspannt den Kitka River.

Foto: Ilkka Halso

Wien – I was in love with a place in my mind (2015) heißt eine Arbeit Bruno von Roels und liefert damit den heimlichen Titel der Ausstellung Visions of Nature im Kunsthaus Wien. Sie widmet sich dem Verhältnis von Mensch und Natur "im Spannungsfeld zwischen Sehnsuchtsort und Ressource", so Kuratorin Verena Kaspar-Eisert.

Nicht um Zukunftsvisionen geht es, sondern um gegenwärtige Blicke auf die Natur, vermittelt durch die Linse der Kamera. Arbeiten, die moralisierend den Zeigefinger schwingen, sucht man dementsprechend vergeblich. Jeder Blick des Menschen auf die Natur, so Kaspar-Eisert, sei per se schon politisch.

Nur wenige der 25 versammelten Arbeiten bringen den menschlichen Körper ins Bild: Rodrigo Braga, dessen Videoarbeiten zu den Highlights der Ausstellung zählen, hebt im Urwald ein riesiges Loch aus dem Schlamm, trägt einen Baum zu Grabe und schreit sich die Seele aus dem Leib: Der einzelne Körper kommt schwerlich gegen die Naturgewalten an.

Klappstühle in der Wildnis

Auf Maloja (1989) von Andreas Gursky betrachtet man aus ironischer Distanz eine Picknickgruppe, die sich die ganze bürgerliche Klappstuhlausrüstung in die Wildnis mitgebracht hat. Solche Momente, die Brüche mit den Erwartungen des Betrachters erzeugen, sind aber nur vereinzelt zu finden.

Dass der vielfältigen Ausstellung eine stärkere thematische Zuspitzung gutgetan hätte, zeigt ein gelungener Raum im Obergeschoß. Michael John Whelan hat seine Serie Darkness Had No Need (2017) in Lichtschutzreservaten fotografiert: an jenen selten gewordenen Orten, an denen es noch wirklich dunkel wird. Nur Schemen sind auszumachen, die Abwesenheit von Licht ist ungewohnt. Drei ebenso großformatige Fotos Darren Almonds aus seiner Fullmoon-Serie (2013) bilden den Gegenpol: In Vollmondnächten aufgenommen, machen seine Langzeitbelichtungen gespenstische, in surreales Licht getauchte Traumlandschaften sichtbar, die ohne das vermittelnde Medium verborgen blieben.

Schönheit und tödliche Gefahr

Ergänzt wird dieses Arrangement um Fotografien der Wasseroberfläche der Themse von Roni Horn aus dem Jahr 2000. Sie wirken wie Landkarten, zeichnen das kleinteilige Ornament der Wasserströmungen und -wirbel auf. Zugleich beschwört die Künstlerin aber die tödliche Gefahr unter der Wasseroberfläche: dass die Themse der "beliebteste" Fluss für Suizid ist, war Ausgangspunkt ihrer Arbeit.

Durch Patagoniens Gletscherlandschaft zieht schließlich Charly Nijensohns The Exodus of the Forgotten (2011). Wie durch ein Gemälde Caspar David Friedrichs wandern die schwarzen Gestalten mit grellen Stirnlampen, mit Schaudern denkt man an jene Expeditionen, die im Eis ihr Ende fanden.

In Verbindung machen diese vier Positionen deutlich, dass die Naturgewalten auch ohne menschliches Zutun vom Sehnsuchtsort zur Bedrohung werden können. Es vermittelt sich ein Gefühl für die "unheimliche ewige Natur" – für das Erhabene, das gemeint, aber nicht benannt ist.

Verlangsamte Blicke

An anderer Stelle bezieht sich Simone Nieweg dezidiert auf das 19. Jahrhundert. Die Becher-Schülerin, aktuell Artist in Residence im Kunsthaus, möchte flüchtige Momente der Natur einfangen, um sie zu verlangsamen. Auf den Spuren der Impressionisten zeigt sie "zufällige" Ausschnitte etwa aus Waldansichten, lässt ganz das Spiel von Licht und Schatten zwischen den Blättern zur Geltung kommen.

An Stellen wie diesen schrammt die Ausstellung gefährlich an der Überästhetisierung entlang. Allzu beeindruckend sind die Formate und die technischen Spielereien, erschweren dadurch zuweilen den Blick in die Tiefe: Die kritische Reflexion gerät ins Hintertreffen gegenüber einer überwältigten Bewunderung der Natur. (Kathrin Heinrich, 16.9.2017)