Laxenburg – Heute sind auf Europas Straßen rund 100 Millionen Dieselautos unterwegs, vor rund 20 Jahren war es übrigens noch ziemlich genau die Hälfte. Außerhalb Europas sind Dieselautos übrigens auch weniger beliebt: Im Rest der Welt sind nur rund 50 Millionen unterwegs.

425.000 plus 5.000

Ihr Problem ist der hohe Ausstoß von NOx, also der giftigen nitrosen Gase beziehungsweise Stickoxide, der auf den Straßen vier bis sieben Mal höher ist als bei den offiziellen Tests. Das führt zu noch höherer Luftverschmutzung, an deren Folgen in Europa pro Jahr insgesamt rund 425.000 Menschen frühzeitig sterben.

Stickstoffoxide schädigen die Lunge, führen zu Bronchitis und tragen entscheidend zur Entstehung von Feinstaub sowie bodennahem Ozon bei, das ein starkes Reizmittel für die Atemwege ist. Sie erhöhen das Risiko zum Beispiel für Schlaganfälle, Herz-Kreislauferkrankungen und Lungenkrebs.

Forscher um Jens Borgen-Kleefeld (IIASA in Laxenburg) haben nun im Fachblatt "Environmental Research Letters" ermittelt, wie viele zusätzliche Todesfälle in Europa nur durch den Abgasskandal und die zusätzlichen Sitickoxide zu erwarten sind, und kommen auf nicht weniger als 5.000 zusätzliche Tote jährlich. (Eine "Nature"-Studie vor einigen Monaten war zu noch dramatischeren Schätzungen gelangt.)

Italien ist besonders stark betroffen

"Wenn die Emissionen der Dieselautos so gering wären wie die der Benziner, könnten etwa 7.500 vorzeitige Todesfälle in Europa verhindert werden", sagt Borken-Kleefeld.

Wie viele Todesfälle sich durch welche Maßnahmen vermeiden lassen.
Grafik: Jonson et al 2017

Am meisten Tote erwarten die Forscher in Italien, Deutschland und Frankreich, was an der Größe der Bevölkerung, aber auch an der Anzahl der Dieselfahrzeuge liegt. Pro Kopf ist das Risiko in Italien am größten, konkret: in Norditalien.

Die mit Stickoxiden verbundene Feinstaubbelastung ist in Norditalien besonders hoch.
Grafik: Jonson et al 2017

Politische Reaktionen

Die Grüne Spitzenkandidatin Lunacek forderte am Montag mit Bezug auf diese Studie die Bundesregierung, "namentlich Verkehrsminister Jörg Leichtfried" auf, ihren "Kuschelkurs mit der Autolobby unverzüglich beenden". Umstiegsprämien würden nur dazu führen, dass Autobesitzer "ihren Diesel durch einen neueren, ähnlich schmutzigen ersetzen", das als Öko-Prämie zu "beschönigen" sei verfehlt.

Sie fordert bei dem für den 26. September geplanten Diesel-Gipfel eine Hardware-Nachrüstung für Diesel-Fahrzeuge und eine "angemessene" Aufwandsentschädigung. Auch müsse es "zivilrechtliche und strafrechtliche Maßnahmen der Republik gegen die Verursacher der tödlichen Abgas-Mehrbelastung" geben.

Leichtfried: "Keine Verbote"

Verkehrsminister Jörg Leichtfried (SPÖ) will hingegen nur mit Anreizen Abgase aus dem Verkehr verringern. "Über Verbote einzelner Technologien zu diskutieren, ist der falsche Weg. Ein Diesel-Verbot wird es mit mir daher nicht geben", schreibt der Minister in einer Aussendung. Leichtfried schreibt, "jeder Österreicher, der möchte, soll ab 2030 seinen Alltag mit einem abgasfreien Auto bewältigen können. Ziel ist, dass dann freiwillig nur mehr Neuwagen angemeldet werden, die keine Schadstoffe ausstoßen." Dafür starte er einen "Aktionsplan für sauberen Verkehr 2030". (tasch/APA, 18.9.2017)