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Schön wars in Allentsteig, das Meer fehlt halt, aber egal.

Foto: AP / Roland Zak

Der Auftritt wirkte, zumindest im Fernsehen, reichlich bizarr: 2360 Soldaten, davon immerhin 160 aus Ungarn und Tschechien, probten am Freitag, unter den wachsamen Augen des österreichischen Verteidigungsministers Hans-Peter Doskozil, den "Ernstfall von 2015".

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Da standen also einige Hundertschaften wohl genährter und teils gut trainierter junger Männer in der Pampa des nördlichen Waldviertels vor einem behelfsmäßig errichteten Zaun. Sie hatten sich als Flüchtlinge "verkleidet" (einige trugen weiße Überhemden, sie hatten Kappen statt Helme auf), und alle riefen im Chor: "Öffnet die Tore!" Manche trieben das Schauspiel auf die Spitze und reckten Fäuste.

Zu Boden bringen

Auf der anderen Seite standen Soldaten in schwerer Kampfmontur, sie trugen undurchblickbare Helme und hatten Schilder vor ihren Körper, und ihre Aufgabe war es augenscheinlich, die lautesten Schreier zu Boden zu bringen und jeweils einen zu viert abzutransportieren.

Angeblich ging es darum zu üben, wie man die EU-Außengrenze am besten vor Flüchtlingen schützt. Der Verteidigungsminister war nach eigenem Bekunden im Fernsehen sehr zufrieden. Tut ja nichts zur Sache, dass Allentsteig leider nicht am Meer liegt und man den Ernstfall eines kenternden Flüchtlingsboots nicht üben konnte – was aber insofern günstig gewesen wäre, weil die schwächsten (und längsten) Außengrenzen der EU Seegrenzen sind. Egal, die TV-Bilder waren trotzdem schön.

Wo ist hier das Meer?

Abgesehen davon, dass man Mühe hat, die Analogien zu sehen: Im August 2015 begehrten nicht schneidige Soldaten, sondern übermüdete, teils kranke, vollkommen erschöpfte Menschen, darunter viele Frauen und Kinder, Einlass nach Österreich. Man erinnert sich auch dunkel, dass ein gewisser Hans-Peter Doskozil, damals oberster Polizist des Burgenlands, hoch vernünftig klingende Interviews im österreichischen Fernsehen gab. Man meinte schon, es mit einem pragmatischen Humanisten zu tun zu haben.

Derselbe Mann ist nun, dank seinem Förderer Hans Niessl, dem Landeshauptmann des Burgenlandes (den er, wie man hört, nur zu gerne beerben würde – wenn sich nicht noch was besseres findet), so etwas wie ein neuer "Machtfaktor" bei den Sozialdemokraten, und er füllt diese Position aus, indem er tut, was er für richtig hält. Da kann man in der SPÖ noch so bemüht sein zu behaupten, es sei alles, wirklich alles abgesprochen zwischen dem Kanzler und SPÖ-Vorsitzenden und dem Herrn des Bundesheeres – oft, sehr oft, wirkt es ganz anders.

Bläulicher als der See

Doskozil segelt seinen eigenen Kurs, der ist, in Niessl'scher Tradition, bläulicher als der Neusiedler See, und im übrigen löckt er wider den Stachel, wann immer es geht. Wie der wackere Ritter Rost im Kinderbuch, durchmisst er reinen Herzens den gefahrvollen Zauberwald der Politik um die Prinzessin (oder die rote Regierungsmacht) zu retten.

Wenn das bedeutet, Christian Kern zu versetzen, wenn der in Graz beim Wahlkampfauftakt gerade versucht, aus einem zerstrittenen Haufen ein einig Volk von roten Wahlkämpfern zu formen, dann kann man halt nix machen. Wenn das bedeutet, dass er vom Waldviertel aus ausgerechnet Jean-Claude Juncker für seine Zukunftsvision einer Erweiterung der Schengengrenze kritisieren muss, wo sich der Kanzler doch gerade so schön zur EU bekannt hat, kann man auch nix machen. Alles mit Kern abgesprochen, ganz bestimmt.

Höhere Weihen

In der SPÖ beruhigt man sich derweilen selbst mit dem Mantra, dass die Österreicher nun einmal ein Sicherheitsgefühl haben wollten und die Politik ihnen das geben müsse, und Doskozil das eigentlich eh super mache. Es ist nur so, dass Doskozil nicht der erste und schon gar nicht der einzige ist, der dieses Thema besetzen möchte. Eigentlich ist er der vierte in der Reihe – nach ÖVP-Spitzenkandidat Kurz, Innenminister Wolfgang Sobotka, FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache, die alle dasselbe wollen und es auch aussprechen: keine Flüchtlinge mehr, Grenzen dicht, und alles wird gut. Da fällt ein Doskozil-Sager nicht weiter aus.

Viel mehr besteht für die SPÖ die Gefahr, dass etwas anderes hängen bleibt: Der Verteidigungsminister hat aus persönlichem Ehrgeiz seine eigenen Scharmützel geführt – ganz egal, wo die Haupt-Wahlkampffront gerade verlief. Ein Soldat, der so etwas im Ernstfall macht, würde ernsthafte Schwierigkeiten bekommen. In der Politik zeigt man so offenbar für höhere Weihen auf. Fragt sich nur, um welchen Preis. (16.9.2017, Petra Stuiber)