Unsere ersten Tage in Rumänien führten zu Burgen und wenigen Überraschungen. Weiter im Landesinneren zeigt sich das Land nun von seiner imposanten Seite. Auf dem Weg von Sibiu nach Bukarest halten wie in Bran, einem Ort mit 5.000 Einwohnern, der vor allem durch eines bekannt ist: Das Schloss Graf Draculas – zumindest wird es so vermarktet. Angeblich soll hier das historische Vorbild für Bram Strokers Romanfigur gelebt haben. Allerdings ist nicht einmal bewiesen, dass das Schloss Vlad III. Draculea jemals gehörte. Vielmehr gibt es nur eine Quelle, die darauf hinweist, dass er eine Nacht dort verbracht haben soll. In der von Autos überfüllten Stadt besichtigen wir das alte Gemäuer nur von außen – das Schloss gilt gemeinhin als Touristenfalle.

Die Burg Bran, gerne auch als Dracula-Schloss bezeichnet.
Foto: Michael Prügl

Der Weg mit dem Wohnmobil Richtung Bukarest gestaltet sich anstrengend: Wir stehen außerhalb von Bran immer wieder im Stau. Dabei begleitet uns ein typisch rumänisches Phänomen: Sobald sich nur ansatzweise Stau bildet, ist sofort eine Gruppe Roma zugegen, die frisches Obst verkauft. Verkaufsstände zieren den Weg nach Bukarest.

Der Fluss Dambovita, unweit der Altstadt.
Foto: Michael Prügl

Ceaușescus Spielplatz

Der nächste Morgen beginnt früh mit einer Führung im Palatul Parlamentului, dem Parlamentspalast. Das Gebäude, das nach den Wünschen von Diktator Nicolae Ceaușescu von 1983 bis 1989 errichtet wurde, gilt mit 65.000 Quadratmetern Grundfläche und 365.000 Quadratmetern bebauter Fläche als zweitgrößtes Verwaltungsgebäude nach dem Pentagon – und auch das schwerste Gebäude der Welt. Ceaușescu selbst hat die Fertigstellung seines Palastes im Jahr 1997 nicht mehr erlebt – er wurde 1989 hingerichtet. Das Gebäude wurde nach langen Diskussionen nicht abgerissen sondern auch als Versammlungs- und Konferenzzentrum verwendet. Die zweistündige Führung durch das ursprünglich als "Haus des Volkes" bezeichnete Gebäude zeigt uns nur fünf Prozent des gigantischen Palastes.

Palatul Parlamentului, der Parlamentspalast.
Foto: Michael Prügl

Nach unserer Führung treffen wir einen weiteren Instagramer: Cristi ist Fotograf und beschäftigt sich intensiv mit der städtebaulichen Veränderung Bukarests unter dem Regime Ceaușescus. Von ihm erfahren wir, wie es überhaupt zum Umbau der Innenstadt und zur Errichtung des Palasts gekommen ist. Mit dem Erdbeben 1977, das vor allem Bukarest stark in Mitleidenschaft zog, sah sich Ceaușescu in der Position, die Stadt nach seinen Ideen umzugestalten. Wie ein Lego-spielendes Kind setzte er seine Ideen ohne Rücksicht auf die aktuelle Infrastruktur um und lies zahlreiche Gebäude und den Bulevardul Unirii errichten, der an die Champs-Élysées angelehnt ist.

Menschenleerer Prachtboulevard

Unser Guide führt uns an der ältesten Handelsstraße Bukarests entlang, die von der Altstadt bis zum alten Brauereikomplex an der Calea Rahovei reicht. Oder besser gesagt gereicht hat: Auf unserem Weg stehen wir alle 200 Meter vor einem der riesigen Plattenbauten, die Ceaușescu errichten ließ. Der Straßenverlauf endet abrupt, die ehemals reichen Händlerhäuser mitten in der Innenstadt verfallen nach und nach. Cristi zeigt uns auch einige Gebäude, wie die Kirche Mihai Vodă, die Ceaușescu einfach um rund 100 Meter verschieben ließ. Die meisten der ehemals prunkvollen Villen der Händler stehen heute leer oder werden teils von völlig armen Familien bewohnt. Der Prachtboulevard ist menschenleer.

Später führt uns Cristi zu einer verlassenen Halbinsel im Lacul Morii, einem Stausee im Nordwesten der Stadt. Die Insel war in den 80er-Jahren als Sportzentrum konzipiert worden und wirkt durch viele, von der Antike inspirierten Elemente ein bisschen olympisch, jedoch wurden hier nie Sportveranstaltungen abgehalten. Die Insel ist menschenleer, wie so vieles in dieser wuchtigen Metropole.

Der schier unendlich lange Bulevardul Unirii.
Foto: Michael Prügl

Schönheit vergangener Zeiten

Nach fünf intensiven Tagen geht es weiter an den Strand von Constanta, einer Stadt der Gegensätze. Zwischen teilweise schön anmutenden Gebäuden stehen Baracken, halbverfallene Hotels oder leerstehende Geschäfte – trotz der vielen Touristen. Vielleicht hat das Constanta aber einfach so an sich, denn das Highlight der Stadt schlägt genau in diese Kerbe: Das alte Casino am Ufer des Schwarzen Meeres steht seit mittlerweile 27 Jahren leer. Bewacht von mehreren Securitys ist das Jugendstil-Gebäude nicht zugänglich, von außen jedoch ein echter Blickfang. Ursprünglich als Casino gebaut, beherbergte es zwischenzeitlich auch ein Spital und zuletzt ein Restaurant. 

Blick über Constanta vom Minarett der Carol-I.-Moschee.
Foto: Michael Prügl
Zwei Spaziergängerinnen in der Innenstadt Constantas.
Foto: Michael Prügl

Wir beenden den Tag mit einem Besuch der Carol-I.-Moschee, von deren Minarett aus man einen wunderbaren Blick über das Stadtzentrum erhält. Ein versöhnliches Ende unseres Rumänien-Roadtrips, denn unser nächstes Ziel liegt bereits in Bulgarien. Fortsetzung folgt. (Michael Prügl, 22.9.2017)

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